Viertel vor Zwölf – #bremenlebt
Der Weser-Kurier hatte zur Podiumsdiskussion zu #bremenlebt in die Schauburg geladen. Das Podium war hochkarätig besetzt mit:
- Moderator Arno Schrupp, der nagelneue Regionalredakteur des Weser-Kuriers und Anwohner, wenn nicht sogar Liebhaber des Viertels
- Der Anwalt der Klägerin gegen die Lila Eule, Andreas Reich
- Der Gründer der Anwohner*inneninitative Kulturschutzgebiet Viertel, Sönke Busch
- Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz
- Bausenator Joachim Lohse
- Ortsamstleiterin Hellena Harttung
- Betreiber des Heartbreak Hotel, Felix Grundmann
Allein die Gäste versprachen Spannung, jedoch war schnell zu merken, dass das Publikum die viel interessantere Mischung war. Meiner persönlichen Einschätzung nach waren hier verschiedenste Gruppe anwesend. So gut wie alle Aussagen begannen mit: „Ich wohne seit im Viertel.“ Das heißt die Anwohner*innen des Viertels wollten sprechen und machten sich Luft. Um Kultur ging es dabei leider sehr selten, dafür rückten andere Aspekte in den Vordergrund.
Zum einen ging es um Lautstärke, Glasflaschen, Müll, Dreck und die Draußenkultur. Zum anderen um Kommerzialisierung und steigende Mietpreise für Anwohner*innen und Ladenbesitzer*innen.
Zum Teil wurde diese Probleme sogar von den gleichen Leuten angesprochen und es kam mir so vor, als ob diese ihre eigene Vergangenheit im Viertel verdrängen. Menschen die seit 30 Jahren im Viertel wohnten, sich aber jetzt beschwerten, dass es zu Laut sei und zu oft Party gemacht werde, scheinen vergessen zu haben, dass früher genauso oft und viel härter Party war, sie jedoch einfach mitgefeiert haben. Heute hingegen wollen sie diese jungen feiernden Menschen nicht mehr da haben, sie werden als Partyvolk abgetan. Einige Anwohner*innen und Wirt*innen waren deshalb der Meinung, es solle verboten werden draußen zu trinken, weil die Kioske, die Supermärkte und der spätere Ladenschluss als eines der Probleme ausgemacht wurden.
Eine neue Verbotskultur wurde gefordert, Alkohol am Besten ab 22 Uhr nur noch in Kneipen verkauft werden. Dass dies zu weiterer Verdrängung führt, weil sich manche das Bier für 3,50€ nicht leisten können, schien dort vielen recht zu sein. Diesen Vorschlag hat Bausenator Lohse laut eigener Aussage für seinen Kollegen Mäurer mitgenommen. Darüber können wir uns also schon mal in Zukunft freuen. Aber wie soll eine Art Ausgangssperre durchgesetzt werden, ohne das Nachtleben zu töten? Etwa durch verschärfte verfassungswidrige Gefahrengebiete wie in Hamburg letztes Jahr?
Wichtige andere Vorschläge kamen leider kaum zur Sprache oder wurden ausgelacht. Das Problem des Mülls würde sich beispielsweise einfach mit viel mehr öffentlichen Mülleimern und einer häufigeren Entsorgung lösen lassen. Dazu dann noch Pfandregale, Pfandringe und Pfandkisten und es wäre kostengünstig erheblich sauberer. Weiterhin wäre da die Notwendigkeit von öffentlichen Toiletten, die es in Bremen eh viel zu selten gibt.
Aber das würde ja nicht das Problem derer lösen, die eigentlich die Leute von den Straßen weg haben wollen, weil ihnen diese zu laut sind. Dieses Problem, finde ich, sollte aber auch einfach nicht gelöst werden. Die Leute auf der Straße im Bremer Viertel, die dort sitzen, quatschen und ein Bier trinken, gehören für mich zu einer lebhaften Straßenkultur dazu. Wer dann dort hinzieht oder dort auch wohnen bleibt, obwohl er*sie nicht mehr jedes Wochenende unterwegs ist und sich dann aufregt, kann ich nur schwer verstehen. Wer sich die Wohnungspreise im Viertel leisten kann, kann sie sich fast überall leisten.
Zur Kommerzialisierung sag ich nur soviel: Wenn das Viertel so sauber und ruhig ist, wie sich das einige Anwohner*innen auf dieser Versammlung gewünscht haben, am liebsten auch noch ohne alkoholisierte Menschen, dann steigen die Preise noch viel schneller, die teueren Boutiquen werden viel mehr und auch das letzte Alternative geht aus der Stadt verloren.
Ihr müsst euch halt schon entscheiden: Wollt ihr es alternativ? Dann wird das auch laut, dreckig und ein wenig stinken. Wollt ihr es leise und sauber? Dann wird es halt teurer und eure geliebte Kultur weicht Kommerz.
Bemerkenswert fand ich auch noch, dass sich gerade die Anwohner*innen die sich Ruhe und Kommunikationskultur gewünscht haben, dadurch auffielen, ständig in die Diskussion reinzurufen, zu schimpfen und zu buhen. Angenehm war es nicht, auch wenn die Diskussion sicherlich ein gutes Ansinnen hatte.
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