Berufung im Ostkurvensaal-Prozess
Ein schnelles Ende
Das Berufungsverfahren im OKS Prozess hat heute, obwohl vier Verhandlungstage angesetzt waren, überraschend ein schnelles Ende gefunden. Trotz dieses sehr kurzen Verfahrens gibt es einige Dinge, über die wir gern berichten wollen.
Der Prozess began damit, dass alle Besucher_innen gründlich durchsucht wurden. Es wurden Taschen geöffnet, Menschen abgetastet, Getränkeflaschen geöffnet um festzustellen, dass keine gefährliche Flüssigkeit darin zu finden ist und Handys mussten abgegeben werden. Obwohl es offensichtlich war, dass etwa 60 Beobachter_innen den prozess verfolgen wollten, wurde die Kontrollschleuse erst um 8:45 Uhr geöffnet, was zu einem deutlich verzögertem Prozessbeginn führte und den Verdacht aufkommen lässt, dass die Justizbeamt_innen schlecht organisiert und vorbereitet waren. Daneben waren auch etwa ein Dutzend Polizisten anwesend. Während unter den Beobachter_innen die Stimmung sehr friedlich und ruhig schien, wirkte das Verhalten der Polizeibeamten auf uns eher aggressiv und somit nicht deeskalierend.
Um 9:45 war dann die Kontrolle aller Besucher_innen abgeschlossen und die Verhandlung wurde durch den Vorsitzenden eröffnet. Die Angeklagten allerdings waren zu diesem Zeitpunkt nicht im Gerichtssaal anwesend, wurden allerdings beim Betreten des Gerichtgebäudes in Begleitung von Polizisten beobachtet. Der vorsitzende Richter erklärte dann, dass er bereits mit den Angeklagten in Anwesenheit ihrer Verteidiger gesprochen habe. Die Angeklagten würden mit dieser Berufung keine Herabsetzung des Strafmaßes anstreben, sondern wollten lediglich festgestellt wissen, dass sie nicht an der gefährlichen Körperverletzung beteiligt waren. In Abwesenheit der Angeklagten kann ein Gerichtsverfahren allerdings nur in Ausnahmefällen stattfinden.
Das Fernbleiben der Angeklagten begründeten die Verteidiger damit, dass die große Öffentlichkeit diese abgeschreckt habe. Die Verteidiger versuchten ihre Mandanten als Opfer der Presse zu präsentieren, die durch den vorangegangenen Gerichtsprozess private, persönliche und berufliche Konsequenten erlitten hätten und ein ähnliches Szenario nicht erneut erleben wollten. Für Gelächeter sorgte einer der Verteidiger, der besonders forsch und eloquent auftreten wollte und bereits beim letzten OKS Prozess die Taten der Angeklagten massiv verharmlost hatte. Dieser wollte gerade das Übel beschreiben, das die “heimliche dritte Gewalt”, gemeint war die Presse, über seinen Mandanten gebracht hätte, als der Vorsitzende ihn mit dem Einwand unterbrach, dass die Presse als vierte Gewalt bezeichnet wird.
Zumindest emotionale Genugtuung dürte es für jene geben, die bereits den ersten Prozess kritisiert haben. So stellte der Vorsitzende fest, dass die Geständnisse, die im ersten Prozess abgegeben wurden, wohl kaum richtige Geständnisse und höchst unglaubwürdig gewesen seien. Ohne glaubwürdige Geständnisse hätte der Deal, die beiden Angeklagten wurden zu Geldstrafen von 600 Euro verurteilt, aber niemals zustande kommen dürfen. Dieser Einwand, der auf uns wie scharfe Kritik an der Arbeit des Staatsanwalts und Richters wirkt, ändert am Ausgang zwar nichts, zeigt aber, dass die Kritik am Prozess offenbar gerechtfertigt ist.
Aus unserer Sicht ist der Prozess fast optimal verlaufen. Da beide Angeklagte unentschuldigt dem Prozess fern geblieben sind wurde die Berufung verworfen, eine Möglichkeit weitere Rechtsmittel einzulegen besteht nicht und das Urteil hat Bestand, weiterhin müssen sie die Kosten für den Prozesstag tragen. Die Rüge des Vorsitzenden an den Richter des Amtsgerichts und den damals zuständigen Staatsanwalt muss positiv gewertet werden. Besondere Beachtung sollte erfahren, dass hier gezeigt wurde, dass sich auch Neonazis von nachhaltigem öffentlichem Druck beeindrucken lassen. Es geht nicht darum, dass die Angeklagten davon abgehalten wurden ihre Rechte wahrzunehmen, sondern vielmehr darum, dass sie daran gehindert wurden unbemerkt einen Teilfreispruch zu erlangen. Die Handlungen, Verbrechen und Existenz von Neonazis und Rassist_innen dürfen nicht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden. Wir hätten uns lediglich eine Klärung bezüglich des politischen Hintergrundes der Tat gewünscht.
Hintergrund
Im Januar 2007 überfielen mehrere Personen eine Party von Racaille Verte, die damals im Ostkurvensaal (kurz OKS) im Bremer Weserstadtion ihr einjähriges Bestehen feierten. Im Jahr 2011 kam es zur Anklage von 7 Personen, denen neben schweren Hausfriedensbruches in zwei Fällen auch gefährliche Körperverletzungen vorgeworfen wurde. Alle 7 Angeklagten sollen bekannte Neonazis sein, die zum Teil Mitglieder in rechtsextremen Hooligangruppen sind und haben zumeist einschlägige Vorstrafen. Einer der Angeklagten hatte versucht mit einem Molotovcocktail ein Flüchtlingsheim anzuzünden. Racaille Verte wiederrum engagierte sich gegen Rassismus und Sexismus im Stadion und dürfte den rechten Hooligans somit ein Dorn im Auge gewesen sein.
Der prozess erlange zweifelhaften Ruhm. Zum Einen gab es von Sympathisanten der Angeklagten Versuche Prozessbeobachter_innen einzuschüchtern. Eine Beobachterin wurde in einer Prozesspause von einem der Angeklagten beleidigt. Die Neonazis, die kamen um sich den Prozess anschauen und offenbar ihre Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden, traten vermummt auf und fotografierten die weiteren Zuschauer. Die anwesenden Justizbeamten griffen dabei nicht ein.
Ebenso stand der Ausgang des Verfahrens in der Kritik. Die Strafen reichten von Verwarnungen mit Strafvorbehalt hin zu Geldstrafen im sehr gerignen 4 stelligen Bereich. Der Vorfall sei eine Schlägerei unter Fußballfans gewesen, die Beteiligten würden sich im Stadion oder im Zusammenhang mit Fußballspielen erneut begegnen, deswegen wäre eine zu harte Strafe unangebracht. Neben dieser Verharmlosung eines Überfalls, der politische Gegner einschüchtern sollte, wurde den Opfern außerdem eine Mitschuld am Gesamtgeschehen gegeben. Nicht nur, dass die Formulierung, es wäre eine Auseinanderstezung von Fußballfans, impliziert, dass die Gewalt von beiden Seiten ausgeht. Es wurde vom Gericht weiterhin angegeben, das Aussageverhalten der Opfer habe zu der langen Verfahrensdauer und letztendlich zu der geringen Strafe geführt.
Nun haben zwei der Angeklagten Berufung eingelegt. Der Deal, der 2011 ausgehandelt wurde, bestand darin, dass alle 7 ihre Taten gestehen, die Geständnisse seien allerdings nicht echt gewesen, so die beide Angeklagten. Wir möchten darüber berichten, ob es auch diesmal zu Einschüchterungsversuchen oder zur Entpolitisierung der Tat kommt.