Bremen sagt Danke(?)
Am Dienstag, den 02.12.14, fand im Alten Rathaus die jährliche Veranstaltung zur Würdigung ehrenamtlichen Engagements in Bremen statt. Neben der Festveranstaltung, einer Rede des Senators für Inneres und Sport Ulrich Mäurer, Interviews mit Ehrenamtlichen und Musik bot sich der Moment nochmal über das Ehrenamt an sich nachzudenken.
Ich bin bereits seit vielen Jahren ehrenamtlich in Bremen aktiv. Eine Sache, die mir immer Spaß gemacht und mein Leben auch in gewisser Weise bereichert hat. Ein Ehrenamt auszuüben heißt eben nicht altruistisch zu leben – ich bezweifle, dass solche Menschen existieren können – sondern auch viel zu bekommen: Die Befriedigung, etwas sinnvolles zu tun; Menschen in Misere aus dieser heraus zu helfen; Den Alltag von anderen schön zu gestalten; Neue Möglichkeitsräume zu eröffnen. Wer viel gibt, bekommt auch viel. Das dafür allerdings auch das Privileg nötig ist diese Zeit (und damit in gewisser Hinsicht auch Geld) zu besitzen, darf dabei nicht übergangen werden.
Auch die negativ konnotierten Seiten sollten dabei nicht verschwiegen werden: Die Genugtuung, sich freiwillig für andere Menschen einzusetzen und damit evtl. “besser” zu sein; Anerkennende Blicke für aufopferungsvolle Arbeit zu ernten; Und leider auch dem verinnerlichten gesellschaftlichen Zwang nachzugeben, etwas zu leisten und für die Gesellschaft nützlich zu sein.
Neben diesen (nicht immer zutreffenden und auch oft unbewussten) Gefühlen ist es aber vor allem die Notwendigkeit kulturelle und soziale Lücken aufzufüllen. Die Kehrseite der – in meinen Augen – hochwichtigen gesellschaftlichen Aufgaben und Teilhabe ist in den Gründen für die Notwendigkeit dieser Aufgaben zu finden.
Ich bin dankbar für Menschen in der Bahnhofsmission, die Personen mit Schwierigkeiten im Bahnhof helfen und einen Raum zum Aufwärmen und Kaffee bieten. Ich bin dankbar für die mobilen “Suppenengel”, die für ein wenig Wärme und einen gefüllten Magen sorgen. Ich bin dankbar für Initiativen, die traumatisierten Geflüchteten psychotherapeutische Hilfe anbieten oder Sprachkurse geben. Ich bin dankbar für Initiativen für Opfer von (sexueller) Gewalt. Ich bin dankbar für die Kleiderkammern, die freiwilligen Feuerwehren, die Tafeln, Sport- und Freizeitangebote und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Ich bin froh, dass es so viele Menschen gibt, die ihr Privileg und ihre Fähigkeiten nutzen, um sich für andere einsetzen.
Vergessen werden darf aber nicht, dass die Notwendigkeit für diese gesellschaftlichen Aufgaben aus den Defiziten der staatlichen Finanzierung stammen. Wir bräuchten keine Zuverdienstmöglichkeiten oder Suppenküchen, keine ehrenamtliche Betreuung von Menschen, keine Sprachschulen oder Therapieangebote wenn der Staat diesen Aufgaben nachkommen würde.
Keine Frage, das soziale Miteinander und die dadurch entstehende Solidarisierung ist durch Geld nicht zu ersetzen und hier sehe ich auch den riesigen Zugewinn für eine Gesellschaft. Die Notwendigkeit jedoch, in einer kapitalistischen Gesellschaft Aufgaben des Staates (der Länder, der Kommunen…) zu übernehmen, sind aufzuzeigen und zu kritisieren. Wenn Herr Mäurer lobt, dass junge Erwachsene trotz der Herausforderungen der Leistungsgesellschaft noch ehrenamtliche Aufgaben übernehmen, dann übersieht er, dass diese Leistungsgesellschaft diese Probleme erst mit verursacht. Die 180.000 Ehrenamtlichen in Bremen sind für das Land unersetzlich, aber es sollte die Frage gestellt werden, ob diese Bereitschaft nicht gleichzeitig für etwas anderes genutzt wird. Es ist eine Zwickmühle, doch ich würde gerne dazu auffordern, sich zu engagieren, dabei aber die Kritik unbedingt lauter werden zu lassen.
Es ist schön, kurz vor der Bürgerschaftswahl noch einmal mit einer Festveranstaltung und einem Empfang gesagt zu bekommen, wie wichtig die ehrenamtliche Tätigkeit für “unsere Stadt” ist, dass diese aber durch ein Versagen der Sozialsysteme zustande kommt, wird ausgeblendet. Selbstverständlich ist der Senat froh, weniger Geld ausgeben zu können, weil so viele Menschen freiwillig aushelfen – vielleicht kann er dann ja im nächsten Haushaltsplan noch etwas mehr einsparen.
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