Bremer Senat will weiterhin geschlossene Unterbringung für minderjährige Geflüchtete
Die Diskussion um eine geschlossene Unterbringung von wiederholt straffällig gewordenen minderjährigen Geflüchteten schwelt bereits seit gut einem Jahr in Bremen. Nachdem sogar die Grünen in den Koalitionsverhandlungen einknickten und einer Ausarbeitung des Konzeptes zustimmten und Fritjof Balz – ehemals bei den rechtspopulistischen Bürgern in Wut (BIW), jetzt in der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) – sich mit fremdenfeindlichen Forderungen zu diesem Thema vor „besorgten Bürger*innen“ profilieren konnte und schließlich von diesen in den Beirat Blumenthal wählen ließ, ist nun ein weiterer Meilenstein erreicht.
Am Freitag, dem 04.12.15, soll im Petitionsausschuss die Petition von Balz von der rechten Alternative behandelt werden, welche eine geschlossene Unterbringung in der ehemaligen Justizvollzuganstalt im Blockland vorschlägt. Damals noch als Wortführer einer Bürgerinitiative in der Rekumer Straße tätig schrieb Balz, dass sie „in dieser Liegenschaft […] die Möglichkeit [sehen] diesem schwierigen Personenkreis den Zugang zum Erwerb von Beteubungsmitteln und verrichten von Straftaten zu erschweren bzw. zu verhindern.“ (Fehler im Original). Treuherzig und bürger*innennah wurde in diesem Dunstkreis immer wieder von Resozialisierung und Ausbildungsprogrammen gesprochen, die dort durch geschulte Justizbeamte durchgeführt werden sollte, ohne zu erklären, wie dies hinter geschlossenen Türen und in Isolation von der Gesellschaft geschehen soll.
Eine Resozialisierung in geschlossenen Anstalten ist schon seit Langem als gescheitert erkannt und immer wieder kritisiert worden. Die Stigmatisierung durch den Aufenthalt in einer geschlossenen Einrichtung kann keine resozialisierende Maßnahme oder Ausbildung aufheben. Gerade für Minderjährige, die sich zudem noch in einer wichtigen Entwicklungsphase ihres Selbst befinden, kann diese prägende Erfahrung mitunter erheblichen Schaden anrichten. Letztendlich diente das Versprechen einer Reintegration durch betreute Gefängnisaufenthalte stets nur als Argument von rechten Hardlinern, Law&Order-Politker*innen und staatlichen Institutionen, um als Resultat ihrer Überforderung ein „Problem“ wegzusperren. Nicht umsonst wird dies in den Bereich der „schwarzen Pädagogik“ eingeordnet.
Dass in der Diskussion in Bremen zudem eine klare Unterscheidung von wiederholt straffällig gewordenen minderjährigen Geflüchteten und wiederholt straffällig gewordenen Minderjährigen (im Sinne von Nicht-Geflüchteten) gemacht wurde, verleiht der Debatte zudem ein klar rassistisches Profil.
All diese Kritik, Probleme mit der geschlossenen Unterbringung, historisches Hintergrundwissen, sozialpädagogische Analysen wurden bereits vom Flüchtlingsrat Bremen, dem Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit, BISA+E und dem Bremer Bündnis Soziale Arbeit auf Fachtagungen in aller Tiefe und Breite diskutiert und dokumentiert. Eine Sammlung zu diesem Thema, bei der es sich wirklich lohnt länger darin zu stöbern. Ebenso wurde eine Bremer Erklärung erstellt, in der zahlreiche namhafte Vereine, Institutionen und Einzelpersonen die
„politisch Verantwortlichen in Bremen [aufforderten], ihre Haltung bezüglich geschlossener Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe von jungen Menschen grundsätzlich zu revidieren und sich in der Folge dahingehend zu engagieren, dass es keine geschlossene Unterbringung und keine Separierung von ethnisch erfassten Minderjährigen geben wird.“
Lesenswert ist dazu auch das Interview mit Sarah Sundermann, die Projektleiterin der Koordinierungsstelle in Hamburg für straffällig gewordene minderjährige Geflüchtete und der Kommentar von Arnold Knigge, Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in Bremen sowie die Stellungnahme von Refugio Bremen e.V. vom Anfang des Jahres 2015.
Gebracht hat diese Auseinandersetzung bisher nicht viel oder es wurde scheinbar sogar bewusst ignoriert, wie im Fall der Grünen, die nun bewusst mit dem Senat und im Schlepptau mit Balz vom rechten Rand fortschreiten und weiter an einer Umsetzung arbeiten. Dass es noch keine konkreten Pläne für ein Heim gibt, liege nur daran, dass es schwierig sei, „erfahrenes Personal“ zu finden sowie ein „adäquates Gebäude“ – so wurde Frau Stahmann in der taz zitiert.
Es ist offensichtlich, dass der Senat durch die Überforderung mit der Situation einen schnellen Ausweg aus der Misere sucht. Doch lebenweltorientierte und nachhaltige pädagogische Betreuung braucht nunmal Zeit und viel Zuwendung und dies kostet wiederum Geld und es braucht geeignetes Personal. Dass in der momentanen Verwaltungskrise die Prioritäten woanders liegen als bei der intensiven Einzelbetreuung einzelner Jugendlicher oder einer aufsuchenden Straßensozialarbeit, ist vielleicht nachvollziehbar, aber menschlich nicht zu rechtfertigen.
Der Senat sollte dringend noch einmal in sich gehen. Eine Verwaltungskrise kann, nur um eine starke Hand zu beweisen, keine Begründung für überzogene staatliche Gewalt sein.
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