Dreizehnter Prozesstag gegen antifaschistische Ultras
Am Freitag den 13.05. fand auch der 13 Prozesstag gegen Wesley S. und Valentin S statt. Geladen war der Zeuge W., der beim Sozialdienst des Jugendvollzugs arbeitet und Auskunft über Valentins Verhalten in der Untersuchungshaft geben sollte.
Zudem wurde angekündigt, dass Valentin möglicherweise selber Angaben zu einigen Vorwürfen machen würde.
Zeuge des Sozialdienstes des Jugendvollzugs
Doch dazu kam es nicht. Der Zeuge W. berichtete zunächst davon, dass Valentins Verhalten in der Untersuchungshaft höflich, angemessen und positiv gewesen sein. Er habe den Anweisungen der Vollzugsbeamten stets Folge geleistet. Einzig der Fund eines Telefons in Valentins Zelle, habe nicht den Vorschriften entsprochen. Ähnliches habe er von seinen Kolleg*innen gehört. Zudem berichtete W., dass er von Valentin erfahren habe, dass dieser studieren wolle, konnte sich jedoch an die Studienrichtung nicht mehr erinnern.
Der Richter wollte daraufhin, dass der Zeuge den Inhalt eines Berichts wiedergebe, den eine Kollegin des Zeugen geschrieben hat. Hier intervenierte Horst Wesemann, Anwalt von Valentin, dass dies nicht zulässig sei. Auch die Verlesung des Berichts wollte Wesemann nicht zulassen, das Gericht vertagte eine Entscheidung darüber und verlies den Bericht an diesem Tag nicht.
Als Jan Sürig, Verteidiger von Wesley, den Zeugen fragte, an wieviele Neonazis oder rechte Hooligans in Haft er sich erinnern könnte, wand dagegen der Vorsitzende ein, dass er die Frage nicht zulassen werde, da sie keine Erkenntnisse zur angeklagten Sache bringen könnte.
Die Suche nach dem Gesamtbild
Es folgte eine Reihe von Ausführungen der Verteidiger, des Gerichts und des StA.
Sürig warf dem Gericht in der Folge politische Ignoranz vor, auch die Weimarer Republik sei an Richtern zugrunde gegangen, die sich dem Diktat der angeblichen politischen Neutralität unterordneten. Zudem sei der Eid, den Richter*innen aus Bremen schwörten keinesfalls unpolitisch, sondern vielmehr antifaschistisch.
Inhaltlich führte Sürig an, dass die Beantwortung der Frage für den Prozess wichtig wäre, um Erkenntnisse zu gewinnen, ob Polizei und Justiz bei Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten, die Rechten schonten und Taten von Linken schwerer gewichten.
Er nahm dabei Bezug auf die Ausführungen Wesemanns vom Beginn des Prozesses, der schon angeführt hatte, dass rechtsstaatliche Grundsätze im Verfahren ignoriert würden. Mit seiner Frage habe er versucht eine Konstanz in der Ungleichbehandlung zwischen Linken und Rechten zu finden.
Er führte zudem eklatante Fehler der Polizei an. So war bei der ersten Auseinandersetzung am Verdener Eck, bei der Ultras durch Hooligans angegriffen wurden, mindestens ein Szenekundiger Beamter(SKB) anwesend, notierte jedoch keinen einzigen Namen der angreifen Hooligans, obwohl er diese kennen müsste. Als später Ultras von der Polizei festgehalten wurden, notierte er, so Sürig, alle Namen, inklusive Geburtsdaten, der Ultras. Sürig führte weiterhin aus, dass so ein Verhalten Ermittlungen gegen die Hooligans erschwerte und damit rechtsextreme Hooligans mindestens unbewusst durch die Polizei geschützt werden.
Sürig führte auch den Fall des als Opfers präsentierten Hooligans F. an. Dieser hat mutmaßlich, so soll ein Video zeigen, unmittelbar bevor er selbst angegriffen wurde, eine arglose Person hinterrücks mit einem Bierkasten so sehr geschlagen, dass diese Person regungslos zu Boden fiel und dort liegen blieb. Diesen Sachverhalt hat Valentin bei seiner Haftprüfung bereits im November 2015 geschildert. Der StA hat davon mindestens durch die Akten Kenntnis erlangt, ist dem aber nicht weiter nachgegangen. Ermittlungen wurden erst eingeleitet, nachdem Wesemann das Video einbrachte, das den Vorfall zeigen soll. Fast ein halbes Jahr nachdem Valentin genau diesen Vorfall bereits beschrieb. Diese deutliche Verzögerung der Ermittlungen könnte, so Sürig, bereits den Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt erfüllen.
Weiterhin sei bei diesem Vorfall eine Polizeikette nur etwa 30 Meter entfernt gewesen, hätte aber weder eingegriffen, noch versucht den mutmaßlich Täter festzusetzen.
Schlussendlich ging Sürig noch auf das Versagen der Justiz und der Exekutive im Anschluss an den Angriff auf Racaille Verte im Ostkurvensaal ein.
Sürig folgerte daraus eine strukturelle Unfähigkeit oder Unwilligkeit gegen Rechtsextreme zu ermitteln und vorzugehen. Das müsse sich dementsprechend auch an den Zahlen inhaftierter Rechtsextremer zeigen. Eine solche Unfähig- oder Unwilligkeit hätte massiven Einfluss auf die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze eines Verfahrens.
Dennoch entgegnete der Vorsitzende, dass die Frage keine Relevanz für das Verfahren hätte, und lies diese nicht zu. Ein Fehlverhalten der Ermittlungsorgane sei nicht zu erkennen und im Zweifel im Einzelfall zu prüfen.
Die StA führe eine ganze Akte über Solidaritätsbekundungen für Valentin und verkläre antifaschistischen Selbstschutz, der durch die Untätigkeit der Behörden notwendig würde, zur Uneinsichtigkeit. Vielmehr sei es wichtig, das Gesamtbild zu sehen, er führte hierfür ein weiteres Beispiel an, als Hooligans bei einem anderen Nordderby mit einem Schiff, maskiert auf der Weser fuhren. Die Polizei stoppte das Schiff, nur wenige Hooligans wurden kontrolliert, die meisten konnten, weiterhin vermummut das Schiff unbehelligt verlassen und griffen in der Folge die Journalistin Andrea Röpke an.
Wesemann führte weiterhin aus, das Gesamtbild wäre sicherlich auch anders, als durch diese Frage zu zeichnen, doch, so sein Eindruck, StA und Polizei würden dagegen arbeiten. Er ergänzte dies mit diversen Beleidigungen und auch Mordaufrufen gegen Valentin, wegen derer die StA gar nicht, oder nur schleppend ermittle.
Trotz dieser Fülle an Beispielen klassifizierte Behrens die Vorwürfe gegen seine Arbeit als haltlos und abenteuerlich. Die Verteidigung würde nur eine Bühne für ihre eigenen Statements suchen.
Als der Richter, so Sürig, die Gefahren, die von Rechtsextremen und Hooligans ausgehen durch die Bemerkung, sie seien Vorstellungen, die innerhalb einer gewissen Szene vorherrschten, degradiert, stellen beide Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen die Richterinnen. Sie stützen sich dabei auf ihre vorherigen Ausführungen und folgern aus der Tatsache, dass die Richterinnen dies ignorierten, dass rechtsstaatliche Grundsätze durch diese Richter*innen nicht gewährleistet seien.
Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Bremen
Der Prozess wird am 26.05.2016 in der Strafkammer des LG Bremen, Raum 218, fortgesetzt.
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