Du bist toll!
Es ist mal wieder Valentinstag. Ein Tag, an dem sich Alleinsein für viele nochmal ein Stück schlechter anfühlt als sonst.
„Allein“. Ein sehr negativ besetztes Wort. Vor allem für Frauen. Alleinstehende Frauen werden in der Regel bemitleidet, umso mehr desto älter sie sind. Hat eine Frau noch keinen Partner gefunden, stimmt entweder etwas mit ihr nicht, oder sie hat sich bisher einfach zu dumm angestellt, so die verbreitete Meinung. Der alleinstehenden Frau fehlt etwas, ihr Leben und sie selbst ist noch unvollständig.
Bei Männern sieht das etwas anders aus. Alleinstehenden Männern haftet eher der Ruf an, besonders begehrenswert zu sein, zum Beispiel weil sie sich nicht festlegen wollen. Auch mit zunehmendem Alter ändert sich das nicht, eher im Gegenteil. Der alleinstehende Mann ist geheimnisvoll, schwer zu bändigen und braucht seine Freiheit.
Wenig überraschend, wie unterschiedlich wir das Alleinsein bei den beiden Geschlechtern beurteilen. Ganz nach klassischem Rollenbild: Die Frau ist abhängig, der Mann frei.
Der eine perfekte Partner für immer als irrationales Lebensziel
Die Suche nach dem’der einen perfekten Partner’in fürs Leben, der’die einen für immer rundum glücklich machen soll, ist für viele zum Sinn des Lebens geworden. Manche Menschen sind dermaßen fixiert auf diesen Wunsch, dass sie alles in ihrem Leben darauf ausrichten, wie bei einer Art Ersatzreligion.
Um diese’n eine’n richtige’n Partner’in zu finden, können wir aus reichhaltigen Angeboten wählen. Es gibt aggressiv werbende Partnervermittlungsagenturen, die wissenschaftlich fundiertes Glück versprechen, und sogar TV-Shows, in denen Frauen gegenseitig ihre Blind-Dates bewerten. Wenn eins den’die Partner’in dann gefunden hat, stellen Treuetester, Privatdetektive und im Zweifelsfall auch Schlussmacher-Agenturen ihre Dienste zur Verfügung. Und läuft es gut, können wir vor einem Millionenpublikum gegenseitig unsere Hochzeitsfeiern bewerten. Eine Multi-Milliarden-Industrie bestärkt uns jeden Tag in dem Lebensziel den Einen zu finden.
Den Einen oder die Eine. Nicht mehrere. Oder verschiedene. Beziehungsmodelle, die nicht dem heteronormativen Modell entsprechen – oder auch das Ablehnen von Beziehungen – werden in diesem kommerziellen Milieu gesellschaftlicher Erwartungen größtenteils ignoriert. Die Partnersuche ist erdrückend heteronormativ, schließlich soll ja eine kleine Familie daraus werden. Alle Menschen, die mit ihrer romantischen Orientierung oder ihrem Körper nicht ins Schema passen, werden unsichtbar gemacht. Treue und Monogamie gelten als ultimativer Liebesbeweis. Bindest du dich an diese veralteten Werte, erhältst du dafür Sicherheit, wird dir suggeriert. Stattdessen werden durch solche zum Dogma erhobenen Regeln Probleme innerhalb der Beziehung ausgeblendet, und die Tabubrüche geschehen im Verborgenen. Der emotionale Schaden ist oft immens.
Wie können wir ernsthaft glauben, dass ein einziger Mensch all unsere Bedürfnisse ein Leben lang befriedigen kann? Was sind das für abnorme Anforderungen, die wir an einen anderen Menschen stellen? Und wie absurd ist diese aufoktruierte Partnersuche insgesamt denn überhaupt? Gibt es denn nichts anderes, was unser Leben erfüllen kann?
Die Liebe ist egoistisch
Dabei ist die Liebe sehr viel egoistischer, als wir denken. Wir wollen vor allem vielmehr geliebt werden, als zu lieben. Was wir wirklich wollen und brauchen, ist das Bild von uns, welches unser gegenüber in uns sieht. Dieses wundervolle Bild von uns selbst, in dem wir so faszinierend, schön und klug sind, so liebenswert und einzigartig. Dieser andere Mensch lässt dich wissen, du bist der wunderbarste Mensch auf der ganzen Welt.
Aber warum muss uns das überhaupt ein anderer Mensch mitteilen? Warum können wir uns dieses Selbstbild nicht auch selbst erzeugen? Warum brauchen wir eine zweite Person, die uns bestätigt, dass wir toll sind eben so wie wir sind? Glauben wir anderen mehr als uns selbst? Sind wir alle so unsicher und bestätigungsbedürftig?
Warum fühlen wir uns weniger wertvoll, wenn wir ohne Partner’in sind? Mal ernsthaft: Sind wir noch ganz dicht? Ist unsere Persönlichkeit, das, was wir erreicht haben, unser Leben, wir selbst, weniger wert, weil gerade niemensch da ist, der uns den ganzen Tag lang das Gegenteil erzählt? Weil sich das Date vom letzten Wochenende (noch) nicht wieder gemeldet hat, zweifeln wir direkt wieder an uns und sind plötzlich uninteressant?
Was für ein Schwachsinn.
Wir sollten versuchen, uns aus uns selbst zu bestärken. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir ausschließlich mit uns selbst. Schon das ist ein guter Grund, uns gern haben zu wollen und zu sollen. Damit ihr mich richtig versteht: Ich möchte nicht zum zügellosen Narzissmus oder zur Arroganz aufrufen. Was ich meine, ist eine andere Selbstwahrnehmung.
Macht euch frei!
Macht euch frei von den Erwartungen anderer. Löst euch aus der Abhängigkeit von der Wahrnehmung anderer. Wertschätzt euch selbst, das habt ihr nämlich verdient.
Ich möchte, dass du unabhängig und offen gesonnen durch die Welt gehst. Freue dich jeden Tag an dem, was du in deinem Leben geschafft hast. Sei dir dessen stets bewusst, und trage diese Zufriedenheit mit dir. Widme dich den Dingen die dir Freude machen und die dir am Herzen liegen, und lerne dich selbst besser kennen.
Nimm die Freundlichkeit, die dir im Alltag begegnet wahr, jedes kleine Lächeln und jedes charmante Wort. Liebe hat viele Gesichter; Freundlichkeit ist eins von ihnen. Und auch Freundschaft ist Liebe.
Freue dich über die Liebe, wenn sie in dein Leben tritt und genieße sie solange sie bleiben mag. Sie lässt sich nicht erzwingen oder herbei sehnen. Und wenn sie geht, trauere ihr nicht zu sehr nach. Lieben heißt auch loslassen können. Und vielleicht kommt sie eines Tages zurück.
Du bist toll! Genau so. Immer. Auch wenn es dir mal kein anderer Mensch sagt, außer du.
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