Gegen-Thesen II: Leitkultur
Im Zuge von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), neuen rechtspopulistischen Parteien und den zahlreichen “besorgten Bürgern” ist es unabdingbar, die Argumente dieser Gruppierungen genauer unter die Lupe zu nehmen und die zugrunde liegenden Thesen aufzuschlüsseln, um diese zu erkennen und Gegenargumente zu entwickeln.
Neben nationalistischen bzw. biologistischen „Argumenten“ der PEGIDA steht vor allem die Bewahrung der „abendländischen Kultur“ im Mittelpunkt, die durch andere Kulturen bedroht sei. Diese Argumentation lässt sich im Kern auf die Konstruktion einer deutschen „Leitkultur“ herunterbrechen, die nur schwammig definiert wird, damit sich alle Anhänger*innen damit identifizieren können.
Die „Leitkultur“ beruft sich auf Tradition sowie Gebräuche und Sitten eines Landes: Die deutsche Sprache, die deutschen Werte, die christliche Orientierung, das Volk der Dichter und Denker, Frankfurter Würstchen und Bier. Aber eigentlich kann gar nicht so genau gesagt werden, was denn nun dazu gehört – und vor allem was nicht. Ist jetzt bei der Sprache „hochdeutsch“ gemeint oder bayerischer Dialekt oder Plattdeutsch? Was ist denn für eine deutsche Kultur die typische christliche Religion – freikirchlich, evangelisch, katholisch und müssen alle daran glauben, sonst sind sie nicht deutsch? Darf noch internationales Essen verspeist werden, wenn damit doch das traditionelle Essen vor die Hunde geht? Wer sind deutsche Dichter und Denker und darf dann nichts anderes mehr gelesen werden als Goethe, Marx und Hitler?
Diese Fragen könnten ewig weiter bis ins kleinste Detail gehen: Jede*r hat in dieser Beziehung andere Vorstellungen und die Konstruktion einer „Leitkultur“ ist damit höchst subjektiv und völlig willkürlich. Der Begriff des „Abendlands“ wird aber genommen und allen Vorstellungen übergestülpt, um angebliche Gemeinsamkeiten zu betonen (aber welche denn nun?) und Zusammenhalt zu schaffen – um aber ein „Wir“ zu schaffen, wird wiederum ein „Die Anderen“ benötigt, von dem sich abgegrenzt werden kann.
Die eigentliche Ableitung kommt also aus einem eigentlich rassistischen Weltbild, nämlich ebenfalls dem des nationalistischen (oder biologistischen) Rassismus. Mit der vermeintlichen Kenntnis und dem Ausleben dieser „deutschen Leitkultur“ wird die Zugehörigkeit zum Volk gezeigt und reproduziert. Das „Deutschsein“ und die damit verbundene „deutsche Kultur“ wird in der Vorstellung an das Wesen eines Menschen selbst geknüpft, dass nicht veränderbar sei. Wer als deutsch in der Gesellschaft wahrgenommen und identifiziert wird, der verkörpert automatisch die „deutsche Kultur“ – wer als nicht-deutsch wahrgenommen wird, der macht es automatisch falsch.

Der deutsche Michel
Die „deutsche Leitkultur“ konstruiert also im Kern ein positives Selbstbild der eigenen nationalen Zugehörigkeit, die durch kulturelle „Codes“ zum Ausdruck gebracht wird. Um sich selbst mit der Zugehörigkeit dazu aufwerten zu können, wird eine „fremdländische“ Kultur konstruiert, die abgewertet wird. Es wird zudem vorausgesetzt, dass diese „Leitkultur“ innerhalb und außerhalb von Deutschland allen als Vorbild für gilt und wer davon abweicht, gilt als „fremd“ oder „nicht integrierbar“ oder will eine „Parallelgesellschaft“ bilden. Wer aufgrund seines Aussehens nicht als „deutsch“ wahrgenommen wird, kann sich dieser Vorstellung nach also deutsch Verhalten („angepasst“/“integriert“ sein), aber niemals im Wesen selbst deutsch sein.
Im Kern ist die Konstruktion einer „abendländischen Kultur“ also nur eine weitere Verschleierung für das Aufwerten des eigenen Selbst durch Abwertung anderer „Kulturen“. Auch das Aufwerten des eigenen Selbst durch die „christlich geprägte“ Herkunft gegenüber dem Feindbild Islam fällt in dieses Schema. Letztendlich geht es nur um Dazugehörigkeit zu einem „Volk“ und fremdenfeindliche Einstellungen und ist damit schlicht: rassistisch.
Schön analysiert, aber ich fürchte als Gegenstimme zu PEGIDA taugt der Text wenig, die PEGIDA Anhänger werden nach dem zweiten Satz nicht mehr zuhören, weil ihnen das viel zu komplex ist. Ich Frage mich, wie man die Argumente in griffige Parolen packen könnte.
Geht mir in erster Linie auch erst einmal darum, die grundsätzlichen Thesen dieser Menschen zu analysieren. Ich denke, dass eins sich erst einmal selbst klar werden muss, wie die Argumentation funktioniert, um im Gespräch mit anderen wiederum dagegen argumentieren zu können und auf Fehlschlüsse hinzuweisen. Ich glaube auch kaum, dass sich viele Anhänger*innen solcher Ideologien überzeugen lassen wollen, wenn ihnen Menschenfeindlichkeit vorgeworfen wird.
Aber du hast natürlich recht: Um es lautstark auf die Straße zu tragen reicht die Analyse nicht aus. Also gerne her mit den Vorschlägen! 😉