Gegen-Thesen III: „Sozialschmarotzer*innen“
Im Zuge von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), neuen rechtspopulistischen Parteien und den zahlreichen “besorgten Bürgern” ist es unabdingbar, die Argumente dieser Gruppierungen genauer unter die Lupe zu nehmen und die zugrunde liegenden Thesen aufzuschlüsseln, um diese zu erkennen und Gegenargumente zu entwickeln.
Neben dem biologistischen Rassismus, der angeblich angeborene Unterschiede zwischen Menschen als Grund für unterschiedliche Wertigkeit behauptet sowie dem nationalistischen Rassismus, der sich auf eine höhergestellte eigene Nation bzw. „Leitkultur“ bezieht, gibt es weitere verdeckt diskriminierende Thesen. Besonders häufig wird das Argument gebracht, dass beispielsweise Obdachlose, „Leistungsentgeldbezieher*innen“ oder Aufstocker*innen, Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete uvm. nur Sozialschmarotzer seien – sich also ihren Lebensunterhalt vom Sozialstaat bezahlen ließen ohne oder nur mit geringer Gegenleistung. Abgesehen davon, dass ein Sozialstaat in seiner Funktion eben genau dafür Sorge tragen sollte, dass auch Menschen ohne Arbeit überleben können, kann hier eine neoliberale Ideologie ausgemacht werden.
Das Versprechen eines neoliberalen Kapitalismus ist unter anderem, dass jede*r durch harte Arbeit und festen Willen in der Lage sei, ein gutes Auskommen zu haben. Der Misserfolg, also das Nichterlangen dieses Reichtums, wird im Rückschluss auf ein persönliches Versagen des einzelnen Menschen zurückgeführt. Es wird ausgeblendet, dass unberechenbar viele Faktoren dazu beitragen, „vom Tellerwäscher zum Millionär“ werden zu können und beispielsweise die soziale Schicht, das Geschlecht, die Ethnie, die Religion, das Aussehen uvm. eine starke Rolle dabei spielen. Menschen denen wenig Geld zur Verfügung steht, werden in unserer Gesellschaft schief angeguckt und ihnen wird insgeheim unterstellt, dass sie nicht genug leisten würden. In der Realität sind jedoch gerade besonders „harte“ Jobs oft schlecht bezahlt und Menschen, die in unserer Gesellschaft benachteiligt werden, landen auch öfter in ebensolchen Jobs, da ihnen besser bezahlte Stellen verwehrt bleiben.
Dies führt zu einem Verkettung: Menschen, die diskriminiert werden, bekommen oftmals schlechter bezahlte Stellen, weswegen sie weniger Geld haben, weswegen sie möglicherweise auf staatliche Unterstützung angewiesen sind – und wer diese Unterstützung in Anspruch nimmt, der leistet wohl nicht genug, da es doch jede*r schaffen kann!
Dieser Logik nach wird also Menschen ihrer Leistung bzw. ihrer Nützlichkeit nach eine Wertigkeit zugeordnet und diese Diskriminierung von Menschen hängt, wie oben angedeutet, stark mit anderen Faktoren zusammen. Menschen, die als „nicht-deutsch“ identifiziert werden, wird generell Armut und damit geringere erbrachte Leistung unterstellt, auch wenn dies faktisch nicht zutrifft. Geflüchtete, die oft ohne Hab und Gut aus ihrem Land fliehen mussten, werden also per se als Sozialschmarotzer*innen hingestellt – es wird generell darüber hinweggegangen, dass die einzige Voraussetzung für Sozialleistungen in einem „Sozialstaat“ eigentlich das Menschsein sein sollte. Es geht soweit, dass behauptet wird, dass Geflüchtete die Absicht hätten, bei einer ihnen fremden Nation die Sozialabgaben zu erhalten, um diesem Staat damit zu schaden. Die ganzen Behauptungen könnten ewig so weitergeführt werden und einen Großteil hat eins vermutlich schon einmal in einer Diskussion zu hören bekommen.
Durch diese Behauptung wird also das Feindbild geschaffen, dass bestimmte Menschen schädlich seien, den Staat (und damit die „Bürger*innen) „aussaugen“ würden – und nimmt damit letztendlich sozialdarwinistische Züge an. Radikalisierte „besorgte Bürger*innen“ und Anhänger*innen von PEGIDA & Co. nehmen dies zum Anlass von Gewaltausübung, um „den Feind“ zu vernichten oder zu schaden wie z.B. kurz vor Weihnachten in Dresden geschehen. Durch ihren Unterstützerkreis fühlen sie sich sogar in ihren Verbrechen bestätigt oder gerieren sich als Vollstrecker des angeblichen deutschen Bürgerwillens, als Leute die endlich mal „Nägel mit Köpfen“ machen.
Wer in diesen Bewegungen mitmarschiert und applaudiert, bereitet damit u.U. also auch Gewalttäter*innen den Weg, die über Leichen gehen würden.
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