Gegen-Thesen I: Nationalistischer Rassismus
Im Zuge von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), neuen rechtspopulistischen Parteien und den zahlreichen „besorgten Bürgern“, ist es unabdingbar die Argumente dieser Gruppierungen genauer unter die Lupe zu nehmen, die zugrunde liegenden Thesen aufzuschlüsseln, um diese zu erkennen und Gegenargumente zu entwickeln.
In den Reihen von Menschen mit rechter Einstellung ist die Argumentation eines biologistischen Rassismus, der Auf- und Abwertung, Über- und Unterordnung und die daraus resultierende Gewalt mit biologischen, also „natürlichen“ bzw. „naturgegebenen“ Unterschieden rechtfertigt, immer noch weit verbreitet. Bei den radikalen Strömungen und Bewegungen dieser Tage sind selbstverständlich auch solche Menschen mit dabei und versuchen einen gesellschaftlichen Anschluss zu finden. Allein das Äußern solcher Thesen ist jedoch immer noch gebrandmarkt und führt im besten Fall zum gesellschaftlichen Ausschluss. Im Kern sind diese Vorstellungen aber immer noch in umgewandelten Argumentationen versteckt und diese werden durchaus recht deutlich geäußert – denn „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“.
Im Gegensatz zum biologistischen Rassismus ist gerade ein nationalistischer Rassismus bei „besorgten Bürgern“, wie auch bei PEGIDA und HoGeSa verbreitet bzw. wird dort offen geäußert. Die Grundthese ist jedoch eine sehr ähnliche: Die Ungleichbehandlung von Menschen wird nicht mit biologischen Unterschieden erklärt, sondern mit ihrer Zugehörigkeit zu einer Nation. Grundlage dessen ist die vom Staat vorgenommene Unterscheidung von Einheimischen und Ausländern, die unterschiedliche Rechte und Pflichten haben. Der nationalistische Rassismus greift diese Unterscheidung auf und leitet daraus unterschiedliche Eigenschaften von der Gruppe der Einheimischen und der Gruppe der Ausländer ab. Im Falle von „Menschen mit Migrationshintergrund“, die ja auch deutsche Staatsbürger*innen sein könnten, werden diese oft dem Erscheinungsbild nach (Kleidung, Aussehen, Hautfarbe, usw.) ebenfalls Gruppen zugeordnet oder in „gute“ („integrierte“?) und „schlechte“ Ausländer aufgeteilt. Bei PEGIDA und HoGeSa orientiert sich die Unterscheidung von Menschen an Nationen, die mehrheitlich muslimisch geprägt sind und dann unreflektiert mit Islamisten (oder Salafisten) gleichgesetzt werden. Durch die am Menschen vollzogene nationale Unterscheidung in „Deutsche“ und „Nicht-Deutsche“ werden den Menschen also Eigenschaften zugeschrieben, die sie im Wesen selbst zu In- oder Ausländern machen.
Dieser rassistischen Logik nach werden also Menschen, die als „nicht-deutsch“ identifiziert wurden, als Teile der Bevölkerung angesehen, die nicht hierher gehören, weil sie anders sind. Es erscheint als natürliche Eigenschaft des „Fremden“, nicht dazuzugehören und wer in seinem Wesen anders ist, der muss demzufolge auch anders behandelt werden.
Bei einem Vergleich von biologistischen und nationalistischen Rassismus wird also schnell klar, dass zwar eine abweichende Argumentation vorhanden ist, diese aber in den Grundzügen gleich bleibt, da der nationalistischen Logik nach das „Wesen“ des „Fremden“ ja ebenfalls untrennbar mit der Herkunft eines Menschen verbunden ist. Im Prinzip gibt es also überhaupt keinen großen Unterschied zur biologistischen „Rassenlehre“.
„Deutsche zuerst!“
Personen und Gruppierungen, die solche Meinungen äußern, basteln sich aus dieser konstruierten Unterschiedlichkeit eine Rangfolge von unterschiedlicher Wertigkeit von Menschen. Das heißt, sie haben das Bedürfnis, sich natürlicherweise als höher anzusehen als vermeintliche „Nicht-Deutsche“ und glauben ein Recht auf eine Vorzugsbehandlung zu haben. Es treibt sie die Angst um, dass jede kleine Unterstützung von „Nicht-Deutschen“ ihre Privilegien schmälert – die ja nur darauf beruhen, dass andere schlechter behandelt werden. Sie kehren es sogar um und behaupten, dass vermeintliche „Nicht-Deutsche“ besser behandelt werden würden und sie sich deswegen dagegen wehren müssten, weil sie die eigentlichen Benachteiligten wären. Letzteres ist zwar eindeutig durch unzählige sozialwissenschaftliche Studien widerlegt, kommt aber scheinbar nicht gegen die unterschwellige Angst sowie Abwehrreaktionen an.
Wir müssen uns selbst auch bewusst machen, dass wir in einer Gesellschaft aufwachsen, in der solches Gedankengut in einer sehr unterschwelligen Form „normal“ ist. Wir begegnen von Kindesbeinen an in alltäglichen Gesprächen Vorurteilen, die sich nur in geringsten Details äußern, aber letztendlich der Nährboden für ein rassistisches Weltbild sind. Wenn sich diese Meinungen verfestigen, eine Auseinandersetzung mit Vorurteilen, Diskriminierung und auch mit sich selbst abgelehnt wird, dominiert diese „Meinung“ über Menschen irgendwann das Leben einer Person und mündet möglicherweise in Gewalt.
Es genügt Rassist*innen nicht die Einbildung, etwas Besseres zu sein als andere, sie sehen sich auch berechtigt und vielleicht sogar verpflichtet, sich als höherwertige Menschen gegen minderwertige Menschen zu behaupten und durchzusetzen. Der Übergang zu Gewalt lässt sich oft an dem Punkt festmachen, wo Rassist*innen merken, dass sie nicht das „gute“ Leben führen, von dem sie meinen, dass es ihnen zustände und die Schuld auf die ihrer Meinung nach minderwertigen Menschen schieben.
Was tun?
Es ist immer schwer zu formulieren, was eins denn nun tun kann. Vielleicht kann es auch nur allgemein umrissen werden, weil jede*r eine eigene Art finden muss, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen.
Zum einen müssen wir bei uns selbst anfangen. Wie Noah Sow so treffend feststellte, sind wir alle vom Thema Rassismus betroffen, auch ohne es zu wollen. Wir müssen selbst bei uns erkennen, was wir für Vorteile (Privilegien) als „Deutsche“ haben, was für Vorurteile wir gegen andere haben und diese aufarbeiten. Möglicherweise ist dieses Ziel gar nicht vollständig zu erreichen, aber es gibt einen Prozess sich durch die Auseinandersetzung damit zum Positiven zu verändern. Und diese Auseinandersetzung ist bitter notwendig, wenn wir selbst zu einer gleichberechtigten Gesellschaft beitragen wollen – es selbst versuchen zu leben, unsere eigene gesellschaftliche Position hinterfragen.
Zum anderen müssen wir bei unserem sozialen Umfeld anfangen. Wir müssen über diese Themen reden, nicht länger über Missstände schweigen oder „politisch unkorrekte“ Witze zulassen, weil wir Angst haben den Spaß zu verderben. „Spaß haben“ kann keinen Rassismus rechtfertigen. Es muss klar werden, dass Patriotismus und Nationalismus nicht nur Fahnenschwenken, sondern eben auch oben genannten Rassismus beinhaltet und fördert. Wenn wir darüber reden und andere Menschen zum Nachdenken bringen, dann kann sich zumindest langfristig etwas bewegen.
Zuletzt möchte ich nur noch auf das Interview von Noah Sow verweisen, in dem sie ihre Forderungen skizziert, die von staatlicher Seite umgesetzt werden müssten.
Pauschal zu unterstellen, dass beispielsweise bei PEGIDA ausschließlich Rassist*innen seien, ist leider falsch – es wäre schön, wenn es so einfach wäre. In dieser Bewegung finden sich mit der Politik unzufriedene Menschen, Verschwörungstheoretiker*innen, Alltagsrassist*innen bis hin zu Neonazis und Parteikadern, die durchaus eine Radikalisierung der Massen anstreben. Das macht die Gefahr, in letzter Konsequenz für Leib und Leben, aus: Wenn solche Äußerungen unwidersprochen bleiben, fühlen sich Nazis sicher genug, endlich zuschlagen zu können – was sie ja inzwischen auch zunehmend tun.
Wer sich also nach dem Hinweis auf rassistische Argumente in einer Bewegung der Auseinandersetzung verweigert und unhinterfragt mitmacht, wird zwangsläufig Mitläufer*in. Und was Mitläufer*innen schon so alles ermöglicht haben, können wir in den Geschichtsbüchern lesen.
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