Konzept autofeindliche Stadt
Autos umgeben uns jeden Tag, gerade in der »Nation der Autofahrer*innen« Deutschland, sind sie ein Teil der Gesellschaft. In kaum einem anderen Land hat Mensch als Autofahrer*in so viele Freiheiten und Möglichkeiten. Das beginnt bei den berühmten freien Autobahnen, geht über zu Konzepten für autogerechte Städte in den 60er Jahren, bis hin zu solchen Kuriositäten wie der Autofahrerpartei. All das hat die Städte in Deutschland zu einem Paradies für Autofahrer*innen gemacht. Leider auf Kosten von allen anderen Verkehrsteilnehmenden.
Spätestens seit Mitte der 2000er Jahre ist klar, dass sich der Individualverkehr in den Städten verändern muss und Autos in Städten kein sinnvolles Fortbewegungsmittel für die Mehrheit der Gesellschaft sind. Bisher wurden aber nur wenige bis gar keine Maßnahmen unternommen um dieser Erkenntnis Rechnung zu tragen.
Warum das so ist? Eine einfache Geschichte: Die Automobilindustrie ist einer der einflussreichsten und stärksten Industrien in Deutschland, Lobbyverbände für Autofahrende wie der ADAC sind Mitgliederstark und die Angst Wähler*innen zu verschrecken, ist spätestens seit der Kampagne »1 Liter Benzin muss 5,- DM kosten« von B90/den Grünen, groß. Autofahrende sind nun mal
Trotzdem bewegt sich selbst im Traumland für Autofahrende langsam etwas. Carsharing entwickelt sich gut in deutschen Städten, mit den Umweltzonen gibt es zumindest eine Art Beschränkung, welche Autos in die Innenstädte kommen und vielleicht erleben wir sogar noch zu unseren Lebzeiten ein allgemeines Tempolimit auf den Autobahnen. Aber es könnte noch viel, viel mehr getan werden. Deswegen möchte ich eine Vision der »Autofeindlichen Stadt« beschreiben. Natürlich könnten wir uns über diese bisherigen Verbesserungen freuen, jedoch zum einen ist der Individualverkehr ein gutes Stück mit Schuld an der Klimaerwärmung. Zum anderen nehmen Autos, gerade welche die nicht oder nur gelegentlich genutzt werden, eine unglaubliche Menge an Platz weg. Ob das so schlimm ist? Die einfache Antwort ist »Ja!«, da private Fahrzeuge im Durchschnitt nur eine Stunde am Tag genutzt werden. Das bedeutet sie stehen 23 Stunden ungenutzt herum und nehmen allen Bewohner*innen der Stadt ihren Platz weg.
Wir reden hier allein in Bremen-Stadt von 280.000 Fahrzeuge , (davon sind 242.000 Autos)[1] für diese Fahrzeuge ergeben sich dann am Tag rund 6,5 Millionen Stunden ungenutzte Fahrzeuge. Ich denke die Dimensionen von denen wir hier reden sind deutlich.
Das erste Mittel was zur Reduktion von Autoverkehr in Städten eingesetzt werden könnte, ist daher recht einfach: Lasst uns alle 5 Jahre die Zahl der Parkplätze halbieren. Parkplätze verschwenden viel Raum und die Allgemeinheit muss für sie bezahlen. Mit Parkplätzen meine ich auch Stellplätze für Anwohner*innen. Dazu könnten wir gleichzeitig die Preise für Parkplätze anziehen. Es soll also schwer und teuer sein einen Parkplatz in den Städten zu finden.
Außerhalb könnten dafür günstige Park und Ride-Parkplätze zur Verfügung stehen. Wo dann Menschen, die ein Auto benötigen oder als Besucher*in mit einem Auto anreisen wollen/müssen, es abstellen könnten. Auch über Preisermäßigungen für Elektrofahrzeuge oder Parken mit Carsharing-Autos ließe sich nachdenken.
Das zweite Mittel wäre die Citymaut. Einfach und schon in vielen Städten umgesetzt, wovon London das bekannteste Beispielen sein dürfte. Hierbei sind verschieden Probleme zu beachten. Zum einen gäbe es eine technische Lösung mit Kameraprinzip, die wie auch schon auf der Autobahn Nummernschilder ablesen und mit einer Datenbank abgleichen. Eine Andere Möglichkeit wäre die datensparsamere Möglichkeit von Vignetten. Das schöne bei dieser Alternative wäre auch, dass für bestimmte Ausnahmen Vignetten gedruckt werden könnten – Ich denke dabei sowohl an Lieferverkehr als auch an Menschen, die ein Auto aus gesundheitlichen Gründen benötigen.
Als drittes habe ich einen kostenneutralen Vorschlag. Die Ampelschaltungen sollten Radfahrer*innen bevorzugen und dementsprechend angepasst werden. Dies hätte zu Folge, das Autofahrer*innen wesentlich öfter an Ampeln stehen müssten, dagegen hätte Radfahrer*innen einen flüssigen Verkehr. Dadurch wird erreicht, dass Rad fahren auf kurzen Strecken schneller ist, als mit einem Auto zu fahren.
Als viertes gäbe es die Möglichkeit von sogenannten Fahrradstraßen. Hierbei haben Fahrradfahrer*innen gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmer*innen Vorrang. Diese anderen Verkehrsteilnehmer*innen müssen durch ein Zusatzschild zugelassen werden. Solche Straßen ergeben natürlich besonders Sinn auf größeren Transitstrecken, wie zwischen Uni und Szenevierteln oder Innenstadt und Wohnvierteln. Gleichzeitig würden solche Straßen auch Lärm reduzierend wirken. So könnte ich mir auch vorstellen, dass an Krankenhäusern entlang es nur noch Fahrradstraßen geben dürfte.
Als letztes würde ich vorschlagen in Städten und Dörfern per De fault Tempo 30 einzuführen. Das würde den Verkehr in den Städten ebenfalls schon enorm verbessern und für alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen die Gefahr für eine Verletzung zu reduzieren.
Natürlich könnten an Hauptverkehrsstrecken durch Schilder Tempo 50 ermöglicht werden, wenn das dem Verkehr gut tun würde.
Diese fünf Ideen könnten natürlich gut mit anderen Modellen kombiniert werden. Als Beispiel möchte ich hier den Fahrscheinlosen ÖPNV aufzeigen. Doch darauf werden wir auf Stadtkontext sicher noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt eingehen.
Wie sehen eure Ideen für fahrradfreundliche Städte aus?
[1] Am Anfang stand dort, dass es 280.000 Autos waren. Ein Fehler, den wir am 17.02.2014 korregiert haben.
Ein schöner Artikel mit einigen guten Denkanstößen, vor allem wen sich Menschen noch nicht mit Konzepten wie dem fahrscheinlosen ÖPNV auseinander gesetzt haben. Ich sehe allerdings einen weiteren Aspekt des automobilen Verkehrs, der, wenn er richtig angegangen wird, ebenfalls Lösungen für einige der oben genannten Probleme beinhaltet: das autonome Fahren.
Autonome Fahrzeuge befinden sich derzeit in der Erprobungsphase, sie haben allerdings schon über einige Jahre hinweg mehrere Millionen Kilometer im öffentlichen Verkehr – wenn auch nicht hierzulande – zurückgelegt und die Zahl der Firmen, die daran forschen, wächst stetig.
Wenn nun die Idee des Carsharings oder des fahrscheinlosen ÖPNVs mit der von autonomen Fahrzeugen kombiniert wird, so gibt es eine große Flotte an Fahrzeugen, die jederzeit zur Verfügung steht und Verkehrslücken schließen kann. Es ist hiermit möglich, Strecken zu versorgen, die sich für herkömmlichen ÖPNV nicht lohnen. Außerdem kann zu Zeiten, in denen deutlich weniger Menschen unterwegs sind, die Mobilität erhalten bleiben. Wenn autonome Fahrzeuge also in einem Gesamtkonzept aufgehen, anstatt einzelnen Personen “zu gehören”, sollten die Fahrzeuge häufig unterwegs sein und daher deutlich weniger Parkfläche beanspruchen als privat genutzte PKW, ja sogar weniger als Autos im Car Sharing oder Taxen. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg.
Schöne Vision, aber wer setzt das jetzt um? Die Autolobby ist zu stark in Deutschland, selbst ein generelles Tempolimit werden wir nicht erleben…
Du wolltest ihn, Du kriegst ihn. 😉
Ich springe im Folgenden ein bisschen durch die Themen. Nicht wundern. Ich versuche, kenntlich zu machen, von welchem Teil ich jeweils gerade rede.
Ich bin u.a. über den Punkt “Tempo 30” gestoßen und auf die Aussage, dass das Verkehr verbessern würde. Finde ich sehr schwammig. Was genau würde ein einheitliches Tempo 30 am Verkehr verbessern? In welche Richtung läuft diese Optimierung? Und ist klar, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit auch Busverkehr (und damit den von Dir ja eigentlich gewollten ÖPNV) behindert?
Die ganze Thematik “Geschwindigkeitsbegrenzung” ist relativ komplex und hängt in ihrer Wirksamkeit stark von der Zielstellung ab. In den ganzen Diskussionen der letzten Jahre haben sich allerdings zwei aus meiner Sicht sehr sinnvolle Konzepte herauskristallisiert: Shared Space für diejenigen Bereiche, in denen Verkehrsberuhigung stattfinden soll, und aufkommensabhängige Geschwindigkeitsregelungen an den Stellen, an denen Verkehr so energieeffizient wie möglich gesteuert werden soll. Beide Konzepte sind aus meiner Sicht daraus entstanden, dass man Geschwindigkeitsbegrenzungen wirklich konsequent zu Ende gedacht hat. Denn Tempolimits sind zuerst einmal nur ein Mittel. Erst die Frage nach dem Zweck dahinter ist extrem relevant und eröffnet ganz neue Möglichkeiten.
Im Gegenzug hilft ein pauschaler Ruf nach Tempolimit (erst recht ohne Angabe des zu erreichenden Ziels) nichts.
Und weil ich gerade bei Shared Space bin: Verkehrsarten werden auch dann attraktiv, wenn ihnen Raum eingeräumt wird. Eine Erweiterung von Rad-, Skate- und Fußverkehrsflächen, dezidierte Streckenführung für Straßenbahnen (und vielleicht auch Busse) sind auch ein Aspekt. Die Fahrradstraßen sind da eine Möglichkeit dazu (aber gerade an Krankenhäusern eine eher unpraktische Idee. 😉 ).
Zum Thema Ampelschaltungen: Warum dieses Gegeneinander-ausspielen? Warum keine intelligenten Ampelsteuerungen, die den Verkehrsfluss für alle (und dann gerne mit Bevorzugung von Fahrrad & ÖPNV) verbessert. Das hat dann nämlich auch den Nebeneffekt, dass motorisierter Verkehr (und den wird es weiterhin geben, bspw. auch durch ÖPNV und Car Sharing) energieeffizienter läuft.
Zur Citymaut bin ich noch unentschlossen. Ich habe mich mit dem Konzept bisher zu wenig befasst, um da eine Meinung dazu zu haben.
Ähnliches gilt für Park & Ride. Es gehört weit mehr dazu, als an den Stadtrand ein paar Parkflächen zu setzen. Gerade in Städten, die von den Einkaufspendlern des Umlands leben. Aber auch für Einwohner, die möglicherweise dazu angehalten oder gezwungen werden, ihre Fahrzeuge dort abzustellen (so habe ich es verstanden, wenn nicht muss das auch noch ausdefiniert werden). Kann man machen, aber den Anforderungen der verschiedenen Nutzergruppen muss Rechnung getragen werden.
Insgesamt fehlt mir inhaltlich offen gestanden ein bisschen die Vision. Sie lässt sich aus den vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise ableiten. Aber diese Maßnahmen sind Werkzeuge auf dem Weg zur Erreichung von… was? Oder ist es wirklich das Ziel, einfach nur “autofeindlich” zu sein? Klingt nach “Kampf den Autofahrer, wo man sie sieht”.
Grundsätzlich bin ich ein Freund von Anreizsystemen. Auch Autofahrern kann man (eine Menge) Anreize schaffen, um auf ÖPNV umzusteigen. Die Wenigsten von denen sind starrköpfige Besitzstandswahrer. Der Text scheint mir aus meiner Sicht aber genau das zu unterstellen. Er klingt streckenweise wie eine “Kriegserklärung” an Autofahrer. Damit holt man diese immer noch große Masse an Menschen, die auch Einwohner einer Stadt sind, aber nicht ins Boot für geeignete Maßnahmen.
Positive Visionen schaffen. 🙂 Das bringt mehr als nur eine Sammlung restriktiver Maßnahmen.
Generell gilt: Verkehr ist nur sehr, sehr, sehr, sehr selten Selbstzweck. Er dient notwendigen Zwecken (arbeiten, Behördengänge, einkaufen, Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, …). Sinnvoller noch als alleinige Lenkung von Verkehrsströmen ist es, notwendige Wege zu reduzieren oder auf Laufentfernung zu verkürzen. Das allerdings erfordert strukturpolitische Maßnahmen, die über das Verkehrsressort weit hinaus gehen. Dafür muss Bewusstsein geschaffen werden und das ist eine aus meiner Sicht zentrale Aufgabe der Verkehrspolitik.
Hallo Caro.
Nun Tempo 30 verbessert den Verkehr natürlich nicht für Kraftfahrzeuge. Das ist auch in diesem Konzept nicht gewollt. Das der ÖPNV dadurch behindert wird, würde ich nicht sagen. Wenn doch kriegt er ne Busspur und dort die Erlaubnis 50Km/h zu fahren.
Du redest von Energieeffizienten Verkehr, ich will gar keinen Energieeffiziente Nutzung von KfZs weil ich sie per se nicht für Energieeffizient halte. Sie deswegen wirtschaftlicher zu machen sehe ich garnicht ein.
Warum sollten Fahrradstrassen vor Krankenhäusern unpraktisch sein? Zufahrt für Einsatzfahrzeuge wird sich ganz sicher ermöglichen lassen.
Gleiches gilt für die Ampelschaltung. ÖPNV bevorzugung gibt es schon. Alles andere will ich gar nicht.
Ja es ist eine Kriegserklärung an Besitzstandswahrer. Bei über 300K Autos in einer Stadt wie Bremen wo quasi niemand ein Auto bennötigt muss es eben ein wenig radikaler angegangen werden. Klar kann mensch es auch mit positivien Anreizen probieren. Meiner Meinung nach bringt das nicht viel. Gerade in unserer Gesellschaft ist die Aussrichtung stark auf Bequemlichkeit aus. Also sollten wir es unbequem machen. Über Aussnahmen die Autos wirklich benötigen kann mensch immer reden.
Benötigen heisst für mich aber nicht, ich hab nen Hobby wofür ich es brauch.
Die Aussage Verkehr ist kein Selbstzweck würde ich unterschreiben, jedoch ist Individualverkehr!! sehr oft Selbstzweck anstatt die anderen Möglichkeiten zu nutzen.
Also ich würde sagen ich teile deine Einstellung dazu nicht. Ich finde halt schon, dass die Politik einfach dafür sorgen könnte so wenig Autos wie möglich und nur soviel Autos wie nötig in die Städte zu lassen. Nenn es radikal und böse aber das ist meine Meinung dazu.