Mit dem Arsch ins Gesicht!
Trump hat gewonnen. Und mit ihm haben Hass, Angst, Gier, Rassismus, Sexismus und Homophobie gewonnen. Das mächtigste Land der Welt hat sich für diese “Werte” entschieden. Ich habe einen Kloß im Hals und Wut im Bauch. Und eins vorweg: Das werden auch wir in Deutschland bald spüren. Wir sind in vielerlei Hinsicht mit den USA verwoben, es betrifft auch uns und die ganze Welt, nicht nur in der Klimapolitik. Von den Menschen die in den USA leben mal ganz abgesehen.
Die USA haben einen menschenfeindlichen, selbstsüchtigen, unkontrollierten Mann einer qualifizierten, professionellen Frau vorgezogen. Alle Amerikaner*innen, die nicht weiß, männlich, heterosexuell und ohne Behinderung sind, blicken jetzt in eine ungewisse Zukunft, in der für sie nichts mehr sicher ist. Wenn der Präsident des mächtigsten Landes der Welt höchstpersönlich propagiert, man(n) könne sich bei Frauen alles erlauben, worauf Mann gerade Lust hat, was ist das für ein Signal an die Frauen (und Männer) der gesamten restlichen Welt? Die People of Colour und die LGBTIQ-Gemeinde müssen mit massiven Repressionen rechnen, mit offener tolerierter Anfeindung, ebenso wie Menschen mit Behinderung. Es hat bereits begonnen. Sie sind von ganz oben legitimiert Menschen zweiter Klasse. Sind all die mühsamen, kräftezehrenden Kämpfe dieser Minderheiten in den letzten Jahrzehnten umsonst gewesen? Sind all die kleinen Schritte auf dem so weiten Weg zu gleichen Rechten für alle Menschen nichts mehr wert?
Diskriminierung für alle die nicht weiß, männlich und hetero sind
Zum Sieg verholfen haben Trump vor Allem männliche Weiße mittleren bis höheren Alters, die sich als Verlierer der Globalisierung wahrnehmen. Sie haben vom Kuchen der florierenden Wirtschaft nichts abbekommen, und sehen nun, wo vermehrt Frauen und Minderheiten ihre Rechte einfordern, ihre Felle endgültig davonschwimmen. Sie fühlen sich übergangen, vergessen, verarscht. Und sie sind wütend. Und noch was: Sie haben Angst. In einer Welt, in der jahrhundertelang bestehende Rollenbilder und Hierarchien beginnen aufzuweichen, sich zu entwickeln und zu verändern, fühlen sich gerade diejenigen destabilisiert, die nie eine andere Erfahrung gemacht haben als an der Spitze der Gesellschaft zu stehen. Das betrifft aber natürlich auch alle anderen Menschen (unabhängig von Alter, Geschlecht etc.) die durch die globalen und gesellschaftlichen Entwicklungen verunsichert sind. Die hieraus resultierende Verunsicherung schlägt um in Angst, und aus Angst wird Wut. Wut auf diejenigen, die diese Angst auslösen: Liberale Politiker*innen, Frauen, Minderheiten die ihre Stimme erheben und sogar immer öfter gehört werden.
Ein eher geringes Bildungsniveau bestärkt viele in ihrer Wahrnehmung, das Establishment allein sei Schuld an der persönlichen Misere, und ein wohlwollender, starker Anführer brächte alles wieder ins gewohnte, privilegierte und schmerzlich vermisste Lot, das natürlich nur für sie ein “Lot” ist, für alle anderen heißt das, sofern sie sich nicht damit abfinden wollen Unterdrückung. Und diese von Wut und Angst getriebene Gruppe ist noch sehr viel zahlreicher als wir dachten. Sie wird von Umfragen und Expert*innen kaum reell erfasst, und bleibt so viel zu lange unerkannt, das wissen wir jetzt. Auch in Europa, auch bei uns. Und jetzt dürften sie motivierter als jemals zuvor sein. Das werden wir bald sehen.
Angst ist eine sehr mächtige Emotion – die Angst vor den gesellschaftlichen und globalen Veränderungen schlägt um in Wut
Wie konnte es soweit kommen? An welchem Punkt ist der Politik diese Personengruppe entglitten, und wie kann sie auch bei uns wieder Anschluss finden? Vielleicht wäre es hilfreich, das Bildungssystem nicht kaputt zu sparen, und sich endlich ernsthaft um Chancengleichheit zu kümmern. Außerdem müssen endlich Löhne und Gehälter gezahlt werden, von denen Menschen auch leben können. Eine gesicherte Existenz wirkt vielen Sorgen und Ängsten schonmal entgegen, die für so manche Menschen Alltag sind. Menschen, denen es gut geht, sind eher bereit auf Schwächere Rücksicht zu nehmen, sich dem Mitgefühl zu öffnen und zu Teilen. Logisch. Und sicher wäre es auch hilfreich, wenn sich die Politik mit den Ängsten der Menschen auseinandersetzt und ihnen begegnet. Genau das tut sie aber nicht, indem sie ein informatives Vakuum durch Schweigen und Aussitzen produziert, zur größten Freude all der zwielichtigen, menschenfeindlichen Pseudonachrichtenanbieter und Populisten, die dieses Vakuum nur zu gerne bedienen. Hier ist eine konstruktive, konsequente und konstante Informationspolitik seitens der Regierung ganz entscheidend. Tja.
Bildung, faire Löhne, transparente Informationspolitik – was fehlt
Wie können wir mit dieser Situation umgehen? Was können wir gegen solch tollkühnen Hass ausrichten? Europa muss sich jetzt seiner Verantwortung stellen, aber die linken, progressiven Kräfte Europas sind versprengt und uneins. Ein ‘Top-Down’ ihrerseits ist hier sobald nicht zu erwarten. Wenn wir diese Seite der Politik stärken wollen, müssen wir als erstes unbedingt aufhören, die Politik ansich abzuwerten. Statt lethargisch-genervt abzuwinken, müssen wir ein Mindestmaß an Interesse zeigen und uns wieder mehr mit Politik beschäftigen, weil das schlicht unsere Verantwortung ist! Präsident Trump und die AfD sind auch Resultate von politischem Desinteresse, unter anderem auch weil viele junge Menschen noch nicht mal zur Wahl gehen. Wenn ihr wirklich gegen die aktuelle Entwicklung seit, dann geht verdammt nochmal wählen! Die Wütenden gehen nämlich auf jeden Fall! Diesem postfaktischen Zeitalter, in dem verworrene Emotionen, Gerüchte und Vorurteile mehr Geltungsanspruch haben als Fakten und Information können wir nur begegnen, indem wir uns mit den Fakten auseinandersetzen, auch wenn es mühsam ist. Auch hier können wir uns gegenseitig unterstützen, in dem wir zum Beispiel über politische Themen reden oder schreiben, und diese Themen anderen so leichter zugänglich machen.
Politik zu ignorieren können wir uns nicht mehr leisten! Informiert euch – und geht wählen!
Und was tun wir darüber hinaus? Wir springen den Hass mit dem Arsch ins Gesicht. Wir handeln Bottom-Up. Wir nehmen Einfluss von unten nach oben, indem wir in unserem Alltag, unserem Umfeld, unserer Umwelt, kurz in unserem Leben unsere Werte zeigen und leben. Wir setzen dem Hass Solidarität, Empathie und Liebe entgegen. Wir zeigen, wie wir uns die Gesellschaft wünschen, und tragen das immer weiter. Solidarität und Durchhaltevermögen sind unsere Aufgabe und unsere Chance. Jede*r von uns hat jeden Tag viele Gelegenheiten, einen kleinen Teil beizutragen und sich dem Hass entgegen zu stellen. Greift ein, wenn ihr erlebt, dass jemand diskriminiert wird! Jedes Mal! So kann sich eine Gesellschaft langfristig verändern.
Solidarität, Liebe und Mitgefühl sind unsere Antwort – von unten nach oben
“Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten.”
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