Kennzeichnungspflicht
Erklärung des AKJ Bremen zu den Plänen eine Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte bei Großlagen im Land Bremen einzuführen
Im Rahmen einer Anfrage an die beiden Regierungsparteien des Landes Bremen haben wir erfahren, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kennzeichnungspflicht in absehbarer Zeit umgesetzt werden soll. Laut Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass Polizeikräfte bei so genannten Großlagen anonym gekennzeichnet werden.
Wir begrüßen die Pläne der Landesregierung als ein Signal, die faktische Straffreiheit von Menschen, die für die Polizei arbeiten, zu beenden. Hierbei geht es uns nicht um einen generellen Vorwurf gegenüber allen. Es besteht jedoch ein Aufklärungsdefizit, das eine faktische Straffreiheit für die Anwendung nicht gerechtfertigter Polizeigewalt zur Folge hat.
Derzeit ist es gerade bei Demonstrationen und Fußballspielen für Opfer häufig unmöglich, die Menschen hinter den Helmen und Uniformen zu erkennen. Werden dazu noch, wie jüngst bei der „Pro Deutschland-Tour“ durch Bremen, Sturmhauben getragen, ist eine Identifikation nahezu unmöglich.
Die Aufklärung solcher Straftaten, derer sich die beiden großen Polizeigewerkschaften, GdP und DPolG, noch immer verwehrt, ist hingegen unerlässlich. Gerade die Polizei, der vom Staat ein weitreichender Katalog aus Befugnissen, Material und Einsatzmitteln, also Waffen, zur Verfügung gestellt wird, muss verschärfter Kontrolle unterliegen. Die Anwendung von Gewalt seitens der staatlichen Autorität hat für die Opfer häufig traumatische Folgen, die weit über die physischen Einwirkungen hinausreichen. Dass Strafverfolgung genau in diesem Bereich aufgrund institutioneller Hürden praktisch nicht stattfindet, ist ein unhaltbarer Zustand.
Lange Zeit galt eine Kennzeichnung als unnötig, da die Vorstellung vorherrschte, ausserrechtliche Polizeigewalt finde nicht statt. Diejenigen, die es dann eben trifft, die werden es schon verdient haben. Doch spätestens seit des heftigen Polizeieinsatzes in Stuttgart im Rahmen der Stuttgart 21 Proteste bröckelt dieses Bild. Als die Polizei bei der Blockupy-Demonstration in Frankfurt dieses Jahr etwa 1000 Menschen einkesselte und kontrollierte, wurde diese Vorstellung auch von der konservativen Presse in Frage gestellt. Wir befürworten, dass diese neue Sensibilität auch in der Bremer Politik angekommen ist.
Unklar ist derzeit, wie die Kennzeichnungspflicht ausgestaltet werden soll. Insbesondere die Größe, Position und Art der Befestigung der Kennzeichnung, sowie die Komplexität, sind vitale Punkte. Zudem dürfte für den Erfolg entscheidend sein, welche Folgen diejenigen zu erwarten haben, die die Kennzeichen entfernen oder verdecken.
Die Kennzeichnungspflicht kann allerdings nur ein erster Schritt sein, um rechtswidrige Polizeigewalt zu bekämpfen. Selbst wenn die Person, die rechtswidrig gehandelt hat, namentlich bekannt wird, bedeutet das noch lange keine Aufklärung. In Deutschland ermittelt immer noch die Polizei gegen die eigenen Angehörigen. Auch die Anklage wird noch immer von einer Staatsanwaltschaft vertreten, die grundsätzlich auf die Zusammenarbeit mit der Polizei angewiesen ist. Wohin die enge Verbundenheit von Polizei und Staatsanwaltschaft führen kann, wird in den Fällen Oury Jalloh und Lothar König erschreckend deutlich. Auch abseits von diesen recht bekannten Fällen, haben betroffene Personen immer wieder mit Korpsgeist und Gegenanzeigen wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu kämpfen, wie auch das Verfahren im Anschluss an die Christival-Proteste in Bremen zeigt.
Wir unterstützen deswegen diesen ersten Schritt der Landesregierung, illegale Polizeigewalt zu bekämpfen und fordern weitere Schritte zur Aufklärung und Opferschutz.
Arbeitskreis kritischer Jurist_innen
24.11.2013 Bremen