Über 200 bisher unveröffentlichte rechte Vorfälle
Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ an den Bremer Senat vom 13.04.2021 [PDF] zu rechter und rassistischer Gewalt wurde heute die Antwort veröffentlicht, welche ihr hier abrufen könnt: Antwort des Senats – Rechte und rassistische Gewalt in Bremen [PDF]
Die nachfolgenden Daten basieren auf den mit dem BKA abgestimmten PMK Jahresfallzahlen für das Jahr 2020 und bezugnehmend auf das Land Bremen, einschließlich Bremerhaven. Bei den aufgeführten Delikten handelt es sich demnach ausschließlich um die sogenannten Zähldelikte (bei mehreren Taten definiert sich das Zähldelikt aus der Tat mit dem am höchsten zu bewertenden Strafmaß). Basierend auf dieser Datengrundlage können für das Land Bremen im Jahre 2020 insgesamt 277 Straftaten im Bereich PMK Rechts abgebildet werden.
Drucksache 20/973 S. 2
Im Vergleich zu den von Stadtkontext gesammelten Daten rechter Vorfälle in 2020 unter dem Titel „Rechter Terror in Bremen“ bzw. dem „Jahresrückblick: Rechte Vorfälle in Bremen und Umzu 2020„, tun sich neben den zu erwartenden Überschneidungen auch einige Unterschiede auf, auf die wir kurz eingehen möchten.
Die Daten unterscheiden sich insofern, als dass wir nur veröffentlichte und direkt an uns gemeldete Vorfälle in die Statistik aufnehmen. Weiterhin haben wir auch aus dem Umland Vorfälle mit in unsere Statistik aufgenommen, wohingegen die Polizei sich selbstverständlich nur auf ihr Hoheitsgebiet beschränkt.
In 2020 wurden in Bremen und Umzu insgesamt 111 rechte Vorfälle von Stadtkontext in die Chronik aufgenommen. Darunter waren 71 voneinander unabhängige Fälle; 40 Vorfälle waren in insgesamt 5 größere Tatzusammenhänge eingebettet. Dies ergibt ca. alle 3,3 Tage einen rechtsmotivierten Vorfall in Bremen und Umzu.
Jahresrückblick: Rechte Vorfälle in Bremen und Umzu 2020
Dass unsere Daten mit 111 Vorfällen jedoch weit hinter den der Polizei gelisteten 277 Straftaten zurückbleiben, ist mehr als erschreckend.
Spannend ist daher auch Punkt 7, welcher die Kriterien zur Veröffentlichung einer Pressemitteilung bei der Polizei abfragen:
Die Polizeien im Land Bremen betreiben aktive, offensive, transparente, wahrheitsgemäße und aktuelle Pressearbeit, unabhängig vom Delikt. Die Veröffentlichung von Sachverhalten richtet sich nach ebendiesen Kriterien. Zusätzlich fließt in die Bewertung ein, ob öffentliches Interesse an einem Sachverhalt anzunehmen ist. Dies ist bei politisch motivierten Straftaten aus Sicht der Polizei Bremen grundsätzlich regelmäßig zu bejahen. Grenzen der Berichterstattung liegen u.a. in der Darstellung einsatztaktischen Verhaltens der Polizei oder der Darstellung kriminalistischer Ermittlungsmethoden. […] Bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren obliegt die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Bremen. Die o.a. Bewertung durch die Polizei Bremen findet entsprechend nur dann Anwendung, wenn die StA Bremen eine Freigabe erteilt.
Drucksache 20/973 S. 5
Dies ist insofern interessant, als dass von 277 Straftaten in 2020 nur 73 Pressemitteilungen herausgegeben wurden. Von über 200 Vorfällen in Bremen hat die Öffentlichkeit bisher nichts erfahren. Ein Blick in die angehängte Tabelle zeigt auch, dass es sich bei den verschwiegenen Vorfällen nicht um „kleine Bagatelldelikte“ handelt, sondern die letztendliche Entscheidung eher bunt durcheinandergewürfelt wirkt und nicht wirklich nachvollziehbar ist. Was das BKA wiederum als „PMK Rechts“ einstuft, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt und eine grundsätzliche Kritik daran sprengt hier den Rahmen.
Dies Pressearbeit der Polizei Bremen ist leider nicht annähernd so transparent, wie sie angibt zu sein. Sie versteckt sich hinter der Klausel eines angeblich fehlenden öffentlichem Interesse an rechten Straftaten (obwohl sie dieses Interesse selbst grundsätzlich bestätigt). Und auch wenn nachvollziehbar ist, eine Veröffentlichung bei laufenden Ermittlungen zurückzuhalten, steht einer nachträglichen Veröffentlichung einer Pressemitteilung zu jenen Vorfällen nichts im Wege – Dafür sollte es keiner Anfrage an den Senat bedürfen. Auch dass Vorfälle, wie die Tötung von Mohamed Idrissi bei der rassistische Polizeigewalt angenommen werden muss, nicht in dieser Liste aufgenommen wurden, überrascht leider nicht.
Es lohnt sich trotz aller Kritik die Antwort des Senats zu lesen.
Ob eine nachträgliche Ergänzung in unserer Statistik für 2020 folgt, können wir aktuell nicht zusagen. Unsere jahresaktuelle Übersicht findet ihr unter „Rechte Chronik 2021„.
Eine Antwort
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