Die AfD und der Antifeminismus
Gestern lud die Interventionistische Linke (IL) (ehemals Avanti) zu einem Vortrag aus ihrer Reihe “In Rechter Gesellschaft” in das Kukoon ein.
Dieser Einladung folgten rund 100 feministisch interessierte Antifaschist*innen, um sich mit der AfD und ihrem verankertem Antifeminismus auseinanderzusetzen. Bevor der Vortrag startete, wurde von IL und heart:beat in die Besonderheiten Bremens bei diesem Thema eingeführt. Heart:beat ist eine Gruppe antifaschistischer Feministinnen, die sich für diesen Vortrag mit der IL zusammengetan haben.
Nach dieser Einführung starteten Dete Heß und Juliane Lang mit ihrem Vortrag und begannen dabei mit einer allgemeinen Einführung in den Antifeminismus. Sie verwiesen dabei auf zwei Wellen des „neuen“ Antifeminismus in Deutschland. Die erste Welle startete 2006 mit der Debatte um Eva Hermann und endete 2009. Die zweite Welle begann im Jahr 2013 mit der Gründung der AfD. Dabei ist Deutschland keine Ausnahme, in ganz Europa und den USA ist ein Erstarken von konservativen und rechten Bewegungen sowie antifeministischen Strömungen zu verzeichnen.
Als nächstes gingen die beiden Vortragenden auf die verschieden Teile der Bewegungen in der AfD ein, die einen Anschluss an ultraliberale und rassistische Milieus suchen. Hier sind verschiedene Felder auszumachen:
- “Anti-PC” und “der gesunde Menschenverstand”: Sie setzen sich aus Gruppen zusammen, die inklusive Sprache ablehnen und die Betonung von Unterschieden zwischen den Geschlechtern für wichtig halten.
- Wahlfreiheit / Zwang zu Vereinbarung von Familie und Beruf: Gruppen, die betonen, dass Frauen durch den “Staatsfeminismus” zu einer Doppelbelastung gezwungen werden würden und nicht mehr nur “normal Hausfrau und Mutter” sein könnten oder sogar dürften. Hierbei wird die eigentlich positive Wahlfreiheit für ihre Ideologie umgedeutet. Bei diesen wirken oft auch fundamentalistisch-christliche Gruppen mit, welche sonst beim 1000-Kreuze-Marsch und anderen Gruppen gegen Abtreibung aktiv sind.
- Anti-Gender/”Genderismus”: Gruppen, die sich aktiv gegen alles, was außerhalb der Mann/Frau-Rollen und binären Geschlechterbildern liegt, einsetzen.
Ein weiteres Feld probiert Anschluss an konservative- und postgender-Milieus zu finden.
Diese bestehen aus “Postfeminist*innen” welche sich selbst als “echte Gleichberechtigungskämpfer*innen” sehen. Sie meinen damit allerdings, dass die Gleichstellung schon zu weit ging und mittlerweile Jungen und Männer benachteiligt würden. Teil dieses Feldes sind:
- Maskulinisten und Internettrolle: Ihr Ziel sind hauptsächlich Feminist*innen, die sie angreifen und sie probieren die Deutungshoheit in Diskussionen und vor allem im Internet zu erobern.
- Quotengegner*innen: Menschen die Quoten als Benachteiligung von Männern sehen.
- Väterrechtler*innen: Menschen die eine strukturelle Benachteiligung von Männern bei Unterhaltsklagen sehen und meist ihre eigenen Fälle auf die gesamte Gesellschaft übertragen.
- Gewalt in Beziehungen: Männer die behaupten, dass Gewalt in Beziehungen meistens von Frauen ausgeht. Es gibt in Skandinavien sogar selbst organisierte Notfalltelefone für Männer, die meist von Rechtspopulisten und Nazis betrieben werden.
Im Anschluss an diese Gruppendifferenzierungen ging es um das Familienbild der Alternative für Deutschland. Dieses ist kurzgefasst auf eine streng hetronormatives Familienbild von Vater, Mutter und möglichst vielen Kinder ausgerichtet. Politisch probiert sie mit ihren Standpunkten gerade in den beiden Bundesländern Sachsen und Thüringen durchzudringen. Dabei scheuen sie sich auch nicht, beispielsweise Forderungen der NPD zu übernehmen, wie etwa das Familiendarlehen. In Thüringen versuchten sie ein “Elterngeld Plus” bis zum 6. Lebensjahr des Kindes einzuführen.
Die wohl inhumanste Idee ist die Kinderrente. In dieser Idee wird das Kindergeld nur eine Zahlung für Kinder, welches man als Erwachsener zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr zurück zahlen soll. Die Summe die mensch zurückzahlt soll dann noch davon abhängig gemacht werden, wieviele Kinder mensch selber gezeugt hat. Es ist verwunderlich, dass noch kein Mutterkreuz von der Alternative gefordert wurde. Beide Fraktionen, Sachsen mit Frau Petry und Thüringen mit Herrn Höcke als Vorsitzende, können als rechtskonservativ bis offen völkisch national gelten.
Auf der IL-Veranstaltung gab es als Bespiel eine Rede von Herrn Höcke zu hören, in der er sowohl von einer “Hypersexualisierung” und von “Gendertotalitarismus” sprach bis hin zu Zitaten wie: “Wer es wagt, die Seele unserer Kinder anzurühren…”. Ich werde diese Rede aus Geschmacksgründen hier nicht verlinken, jedoch hat ihm auch die taz einen Artikel gewidmet, der auffindbar ist. Zusammengefasst probiert die AfD unter dem Leitspruch: “Rettet unser Kinder” oder “Denkt doch mal an die Kinder!” zu agieren. Mich persönlich wundert, dass sie nicht gleich die Brücke zu “Rettet unser Kinder vor dem Untergang des Deutschen Rei… äh Abendlandes!” schlagen, wo sie sich ja inzwischen mit Pegida verbündet haben.
Kurz vor Ende ging es um die Spannweite von Anti-PC Sprüchen, die von “darf ich Frauen jetzt etwa nicht mehr sexy finden” über “Männer und Frauen sind halt unterschiedlich” bis hin zu der Behauptung das Vergewaltigungsvorwürfe gegen Männern gelogen seien und als Waffe benutzt werden würden, reichen.
In diesem Zusammenhang mit der Anti-PC-Bewegung wird auch die Wissenschaft und einzelne Forscher*innen angegriffen. Insbesondere Gender-Studies aber auch Soziologie und Politikwissenschaften stehen im Fokus, welche mit ihren Ergebnissen an konservativen und reaktionären Weltbildern kratzen. Oft kommt dabei das übliche Argument, dass z.B. Genderwissenschaften gar keine “echte” Wissenschaft sei, nur weil ihnen die Thematik und die gewonnenen Erkenntnisse unangenehm sind.
Zum Abschluss stellten die beiden Frauen* noch vier Thesen zum Wirken der AfD im antifeministischen Bereich in den Raum.
- Die AfD greifen antifeministische Thesen auf und machen daraus realpolitische Forderungen und eine antipolitische Agenda.
- Darüber hinaus geht es um einen Ringen um Deutungsmacht in gesamtgesellschaftlich relevanten Diskursen. Begriffe wie Gender und Feminismus werden gerade nicht von Feminist*innen, sondern von Antifeminist*innen versucht zu definieren: “Wer die Begriffe beherrscht, beherrscht das denken und damit die Politik”.
- Antifeminsimus ist für die AfD eine Chance zum einen elitär-bildungsbürgerliche Wähler*innen sowie auch Stammtischwähler*innen anzusprechen.
- Antifeminismus verbindet verschiedene Schichten in einem gemeinsamen Gefühl vom “Untergang des Abendlandes”.
Mit diesen Thesen wurde gleichsam betont, dass Antifeminismus auch ohne Auftreten eines Feminismus wirken kann – um diesem entegegenzutreten, braucht es einen antifaschistischen Feminismus welcher intersektional ansetzt.
Nach einer Stunde anschließender Diskussion war die Veranstaltung beendet. Wir von Stadtkontext bedanken uns bei den Vortragenden und der Orga für diesen informativen Abend und hoffen das es allen über 100 Teilnehmenden so gut gefallen hat, wie uns.
Wir weisen auch gerne auf die beiden noch folgenden Veranstaltungen der Reihe hin:
- 23.4. Über 25 Jahre großes Deutschland. Satirische Lesung mit Rainer Trampert und Thomas Ebermann um 19 Uhr (18:30 Einlass), Lagerhaus, Schildstraße 12-19
- 5.5. Gute Freund_innen und strategische Partner_innen – Zur europäischen und zivilgesellschaftlichen Vernetzung der AfD um 18 Uhr, Café Kultur, Theatersaal Uni Bremen
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