Fünf Katzen und ein Fischbrötchen
Eine etwas andere Perspektive auf Istanbul.
Istanbul ist eines der Reiseziele Europas, wenn nicht gar der ganzen Welt. Und wer kennt nicht die Hagia Sophia, die blaue Moschee oder die İstiklal als Einkaufsstraße?
Genau, kennen eigentlich alle und wenn nicht, gibt es genug Blogposts zum Thema.
Ich war vom 23. März bis 31. März 2015 in Istanbul und habe auch einige andere Stadtteile besichtigt. Diese Erfahrungen möchte ich gern hier mit euch teilen. Meine Reise war im Rahmen eines Feldforschungsseminars zum Thema „Teilnehmende Beobachtung von sozialen Bewegungen am Beispiel der Taksimplatz-Bewegung“. Im Rahmen dieses Seminars haben wir verschiedene Personen und Gruppen getroffen und besucht. Spannende Sache und falls ihr an der Universität Bremen studiert, solltet ihr immer mal schauen, was Till Kathmann macht – er hat angekündigt, dass es wieder eine ähnliche Veranstaltung geben soll.
Als allgemeine Bemerkung vorher, möchte ich euch ein paar Tipps an die Hand geben:
Die Menschen in Istanbul sind sehr freundlich und hilfsbereit. Schon auf dem Weg vom Flughafen zu unserer Air-BnB-Wohnung hatten wir zwei Gespräche und einen Istanbuler*, der mal eben meine Tasche mitgetragen hat. An einem Abend wurden wir sogar von zwei Sicherheitsangestellten einer Unterführung zum Cay eingeladen. Um ein Uhr nachts, von zwei Männern über 50, die kein Wort Englisch sprachen. Verbracht haben wir dort trotzdem eine halbe Stunde – mit Händen und Lachen ging das alles. Drei Dinge sollte aber jede*r Tourist*in einfach können:
- „Guten Tag“, was einfach „Merhaba!“ heißt.
- „Danke“, was „Teşekkür edderim“ heißt und „Teschekür edderim“ gesprochen wird. Türkisch wird so gut wie immer gesprochen, wie es geschrieben wird.
- „Affedersin!“, was „Entschuldigung“ heißt und vielleicht noch
- „Memnun oldum“, was „schön dich kennen zu lernen“ bedeutet.
Das Nächste, womit ihr in Istanbul immer rechnen müsst, sind Katzen! Es gibt sie einfach überall, sie lassen sich durchaus auch mal kraulen, können aber auch widerspenstig sein. Es gibt sie in allen Größen, Rassen und Gepflegtheitsstufen. Gleiches trifft in viel geringer Zahl auch auf Hunde zu, wobei ich die selbst nie gestreichelt habe.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der ÖPNV, eine Istanbulkarte ist absolut Pflicht. Kaufen könnt ihr sie schon direkt am Flughafen, sie kostet zehn TL und hat dabei schon vier TL auf der Karte. Fahrten mit Öffentlichen Verkehrsmitteln kosten immer 2,15 TL. Das gilt für Busse, U- und S-Bahnen sowie Fähren. Steigt ihr innerhalb von einer Stunde um, reduziert sich der Preis etwas, beim zweitem Umstieg noch einmal. Das gleiche gilt, wenn ihr die eine Karte zu zweit nutzt. Wenn ihr also eh immer zusammen unterwegs seid, könnte sich auch eine Karte für zwei lohnen.
Als letztes achtet darauf, wo ihr etwas kauft. Uns ist aufgefallen, dass eigentlich alles auf der asiatischen Seite wesentlich günstiger ist. Insbesondere Gewürze und Süßigkeiten, aber auch essen gehen. Das einzige was in Istanbul immer gleich viel zu kosten scheint, sind Simits, türkische Sesamringe, sie kosten immer eine Lira. Die größten Unterschiede ist uns selbst bei Cay (Tee) aufgefallen. Von sechs TL bis 0,5 TL war alles dabei. Kostet der Cay mehr als eine TL, war der Laden meist auch bei allen anderen Dingen zu teuer.
Zu den Stadtteilen:
Die beiden touristisch vollständig erschlossenen Stadtteile sind Faith und Beyoglu, rechts von der Refik Saydam Caddesi. Faith ist der Stadtteil, in dem mit der Sultanahmet die ganzen großen bekannten Sehenswürdigkeiten liegen. Hier ist auch der Gülhane Pari, ein Volkspark, der früher zum Tokapipalast gehörte und heute kostenlos nutzbar ist, mit einer herrlichen Aussicht über das goldene Horn und den Bosporus.
In Beyoglu wirkte die Gegend um das İstanbul Modern, ein Museum für Gegenwartskunst, und am Ufer vom goldenen Horn am wenigsten touristisch mit teilweise noch einer alten Hafen- und Industriekultur. Wenn ihr auf alte Industrie steht, solltet ihr an diesem Ufer entlang spazieren. Gerade in Sütlücü Mahallesi gab es noch einige alte Strukturen, die sich zu entdecken lohnen. Am Ende des golden Horns befindet sdas alte E-Werk mit einer Ausstellung zu seiner Funktion. Gleichzeitig bekommt mensch die Möglichkeit, sich ein wenig in der Design-Universität von Istanbul umzuschauen.
Links vom alten E-Werk befindet sich Gaziosmanpasa, ein Stadtteil der auf mich wirkte wie ein westlicher Stadtteil einer typischen Großstadt mit einem großem Einkaufszentrum, dem GO-Parki und einer langen Fußgängerzone mit Geschäften aller Art. Das schönste daran ist: Mensch ist sicher der einzige Tourist auf dieser Einkaufsmeile.
Von dort aus kann mensch sich noch ein besonderes Abenteuer erleben, wenn mensch wirklich möchte. Weiter östlich liegt der Stadtteil Gazi. Ein Stadtteil, der nicht von der Polizei, sondern von der DHKP-C, einer linksradikalen marxistisch leninistischen Partei-Front, kontrolliert wird. Der Besuch dort ist sicher etwas besonderes. Graffiti gibt es an jedem Haus. Die Polizei wagt sich nur mit gepanzerten Wagen in den Stadtteil und als Touri fällt Mensch krasser auf, als ein bunter Hund. Trotzdem fand ich den Besuch dort spannend. Allein, dass es solche Gebiete in Europa überhaupt noch gibt, fand ich erstaunlich. Zudem habe ich eines der leckersten und günstigsten Restaurants mit einem tollem Service dort entdeckt. Eine klare Empfehlung an das Gazi Şahmaran. Solltet ihr euch wirklich in diesen Stadtteil wagen, informiert euch vorher auf jeden Fall über die Situation. Es kommt regelmäßig zu Straßenschlachten, aber auch Schießereien zwischen DHKP-C und Drogenmafia. Nachts ist das Gebiet definitiv eine No-Go-Area.
Ein ganz anderer Stadtteil ist Beşiktaş, sicherlich am bekanntesten durch seinen Fußballverein, welcher als Arbeiterverein gilt, und die Fangruppierung cArşı, einer der politischsten unter den Fussballfangruppierungen europaweit. Beşiktaş selbst ist ein junger aufblühender Stadtteil. Lebendige Kneipenszene, viele Bäckereien und verschiedenste Geschäfte von Ketten bis zum kleinen Laden um die Ecke. Jedoch sind auch schon die ersten Hostels zu sehen und auch einige Tourist*innen gesellen sich bereits unter das geschäftige Treiben. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, doch die Nähe zu Taksim wird wohl demnächst für eine Gentrifizierung sorgen. Ihren Teil dazu bei trägt auch die Galatasaray Universität, mit einem internationalem Campus und einer traumhaften Lage am Bosporus.
Über Beşiktaş liegt dann noch Gayrettepe, ein Geschäftsstadtteil mit viel Glas, Beton und Hochhäusern. Wenn ihr euch einmal kurz wie in Manhattan fühlen wollt, könnt ihr hierher gehen. Ansonsten ist mir nichts Spannendes aufgefallen, jedoch kann mensch von hier aus einen Metrobus nehmen, um über die erste Bosporusbrücke zu fahren, ein Erlebnis und nicht nur eine Transportmöglichkeit, um nach Asien zu kommen. Das Laufen ist auf der Bosporusbrücke nicht möglich, der Traum „zu Fuß nach Asien“ bleibt so leider unerfüllt.
Auf der asiatischen Seite habe ich zwei große Stadtteile besucht. Zum einen Üsküdar, mit Salacak und Konsuyolu, und zum anderen Kadikoy mit Caferga, Osmanaga und Rasimpasa. Das mag etwas verwirrend klingen, aber Istanbul hat zum Teil noch “Überstadtteile”, was bei einer 18 Millionen Einwohner*innenstadt wohl auch der Orientierung zuträglich ist. Denn es gibt hier durchaus Stadtteile, in denen so viele Menschen wohnen. wie in Hamburg.
Üsküdar ist die westliche Spitze Asiens und eine der Fährstationen. Es ist wohl auch der Teil, der von Tourist*innen auf der asiatischen Seite Istanbuls am häufigsten besucht wird. Hier findet sich der Leuchtturm und einige große Moscheen. Aufgefallen ist mir jedoch, dass hier täglich Markt zu sein scheint und gerade, wenn mensch weiter entlang der Nuh Kuyusu Caddesi geht und auf der linken Seite die Marktstände betrittt, ist mensch in einem Bereich, in dem sonst kaum ein*e Touri hinkommt. So kann mensch durch einen Stadtteil Istanbuls schlendern, der noch eine hohe Authentizität ausstrahlt. Ein besonderer Höhepunkt zum Erreichen von Üsküdar ist die Marmaraybahn, Eine U-Bahn, die unter dem Bosporus entlang führt. Mit ihr gelangt mensch dann wieder direkt in das touristische Zentrum Istanbuls.
Direkt daneben Richtung Marmarameer kommt der Stadtteil Kadikoy, welcher mit dem Fähranleger Kadikoy perfekt zu erreichen ist. Hier befindet sich zum einen eine sehr schöne Meerespromenade. Es bietet sich ein Blick auf die wartenden Schiffe, die den Bosporus Richtung Schwarzes Meer durchqueren wollen, und die Prinzessineninseln. Caferga, der Teil, der über dem Anlieger liegt, zeichnet sich zum einen durch seine vielen Antiquariate und Trödelläden aus, zum anderen befinden sich hier einige linke Projekte und Cafés, wie zum Beispiel das 26A, ein kollektiv geführtes Café. Gleich nebenan liegt mit Osmanağa ein weiterer, eher alternativ zu bezeichnender Stadtteil, in dem sich das letzte besetzte Haus in Istanbul mit dem Namen Don Quijote befindet. Gegen die Windmühlen der Gentrifizierung und der AKP wird dort Widerstand geleistet.
Mehr Infos dazu findet ihr hier.
Als Letztes noch ein paar Tipps, die ich euch gerne an die Hand geben möchte:
- Ulmon CityMaps2go bietet eine Istanbulkarte mit einer Anzeige, wo mensch sich gerade befindet, als Offlineversion an. Diese habe ich hauptsächlich genutzt, um mich in Istanbul zu orientieren. Sie hat außerdem die Möglichkeit, Punkte mit verschiedenen Farben zu markieren.
- Balkan Lokantasi ist eine Kette von sehr günstigen Kantinen! Wir haben dort zweimal gegessen und fanden das Essen lecker. Authentischer, als hier mit türkischen Bauarbeiter*innen zu essen, geht es eigentlich nicht.
- Die besten Fischbrötchen haben wir unserer Meinung nach an der Galatabrücke auf der Seiten von Galata gegessen.
Falls ihr noch Tipps habt nehme ich die hier gerne mit auf, schreibt sie einfach in die Kommentare.
Legende:
Rotes Kreuz: Flughafen Atatürk / Schwarzer Kreis: Gazi / Blauer Kreis: Gazimonpasa / Grüner Kreis: Bestiktas und Gayrettepe / Oranger Kreis: Beyoglu mit Istikal und Taksim
Roter Kreis: Faith und Sultanahmet / Hellblauer Kreis: Üsküdar / Lila Kreis: Caferga und Osmanga
9 Antworten