ÜBERdruck: Racial Profiling
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (AKJ) und Caillera haben diesen Herbst die Veranstaltungsreihe ÜBERdruck auf die Beine gestellt. Dort wird sich kritisch mit Repression und Umgang mit dieser auseinandergesetzt. Der dritte Teil beschäftigt sich mit Racial Profiling. Appolinaire Akpene Apetor-Koffi setzt sich bereits seit Jahren mit Diskriminierung und der Praxis des ethnischen Profilings auseinander und trug neben den rechtlichen Grundlagen und Urteilen auch viele teils persönliche Beispiele vor.
Obwohl das Thema eigentlich dauernd präsent, aber meist wenig beachtet wird, haben einige Skandale und Urteile in den letzten Jahren die Diskussion in Deutschland um das sogenannte »Racial Profiling« oder auch »Ethnisches Profiling« noch einmal hochkochen lassen. Anzeigen gegen Beamt*innen, die gegen die Gleichbehandlung verstoßen und die jüngsten Ereignisse in den USA u.a. in Ferguson haben auch international eine heftige Debatte um die Staatsgewalt entfacht. Umso wichtiger ist es, sich erneut mit rassistischer Diskriminierung auseinanderzusetzen und sich auch selbst zu sensibilisieren.
»Racial Profiling« oder »Etnisches Profiling“ beschreibt zuerst einmal das Handeln von Polizei-, Sicherheits-, Einwanderungs- und Zollbeamt*innen, wenn dieses auf allgemeinen Kriterien wie „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft einer Person basiert. Statt an einem konkreten Tatverdacht oder einer begangenen Tat wird also der Verdacht an der äußerlichen Erscheinung eines Menschen ausgemacht und dieser dadurch kriminalisiert. Dass diese Form eigentlich nicht nur gegen Grundrechte verstößt, sondern auch gegen internationales Recht, hindert die staatlichen Organe jedoch nicht daran, über bspw. die Polizeigesetze Möglichkeiten zu finden, dies durchzuführen.
Ausschlaggebende Gesetze in Deutschland sind:
§22 Abs. 1a BPolG
Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.
§23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG
Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.
und im Falle von Bremen auch:
§13 Abs. 5 BremPolG
Der Polizeivollzugsdienst darf jede in einem bestimmten Gebiet im öffentlichen Verkehrsraum angetroffene Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von bestimmten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung in organisierter Form begangen werden sollen und diese Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.
Dass die Formulierung dieser Gesetze zu fälschlichem Gebrauch einladen, ist recht gut herauszulesen. Verdachtsunabhängige Kontrollen mit Identitätsfeststellung und Durchsuchung aufgrund der „Erfahrung“? Gefahrengebiete einführen, wenn es gefühlt kriminell im Stadtteil ist? Alleine diese Möglichkeiten sind ziemliche Auslegungssache und nicht selten kommt es dazu, dass eben nicht alle kontrolliert werden, sondern jene, die durch ihr äußeres Erscheinen auffallen. Dass diese Maßnahmen im Normalfall aber eigentlich erst ergriffen werden dürfen, wenn eine Tat geschehen ist oder kurz vor der Ausführung steht, wird damit umgangen.
Das weitere Problem, das sich hieraus ergibt, ist die Demütigung der Menschen, die immer und immer wieder vor den Augen aller kontrolliert und damit gleichsam als kriminell angesehen werden, obwohl dies nicht zutrifft. Dass dies zusätzlich auch rassistische Vorurteile befeuert, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. So kommt es dazu, dass beispielsweise bestimmte Gebiete in Bremen nachts umfahren werden, um täglichen Kontrollen auf dem ganz normalen Heimweg zu entgehen. Auch Bahnfahren ist oftmals kein Spaß, wenn es andauernd vorkommt, dass die Bundespolizei zufällig genau jene Personen verdächtig findet, die eine dunklere Hautfarbe haben, als die ihrer Ansicht nach ja immer rosa-milchigen Deutschen. Das diese Praxis wie aktuell in den USA, aber auch hier in Bremen, in extremer Konsequenz Todesopfer fordert darf dabei nicht vergessen werden.
Apetor-Koffi verwies in seinem Vortrag außerdem auf das Melki-Urteil von 2010 und eine Einigung vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz von 2012. Die geforderten Änderungen aus dem Melki-Urteil sind bis heute noch nicht im BPolG umgesetzt worden. Update: Die Bundespolizei geht in Berufung!
Auf die Frage hin, was eins selbst in dieser Situation tun kann, wurde geraten, den Vorfall zu protokollieren und als Augenzeug*in zu helfen. Wer sich nicht selbst in jahrelangen Prozessen wiederfinden will, sollte vorsichtig mit Beleidigungen von Beamten und Störung der polizeilichen Arbeit sein. Im Nachhinein kann mit den Betroffenen – so gewünscht – ebenfalls ein Protokoll angefertigt werden und diese dann an entsprechende Organisationen gesandt werden, um rechtlich gegen das racial profiling vorzugehen. Weitere Informationen und Vorlagen gibt es dazu auch bei der ISD [9] oder bei der KOP-Berlin [10].
Mit der Vortragsreihe hat sich die Gruppe bereits in den ersten beiden Veranstaltungen fundiert und kritisch mit der Staatsgewalt auseinandergesetzt und auch die folgenden Vorträge sind bestimmt einen Besuch wert. Neben einer Cyptoparty soll es auch Vorträge über den Brechmittelprozess und den Tod von Laye Conde geben sowie über den Verfassungsschutz referiert und diskutiert werden.
11 Antworten
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