Eure Party – Eure Verantwortung
Es ist Europameisterschaft im Fußball der Männer und plötzlich sind irgendwie alle Fans „ihres“ Teams, welches gerne auf ein „Wir“ oder ein „Uns“ verkürzt wird. Auch Deutschland als solches wird gerne als Teambezeichnung genutzt, anstatt Männerfußballnationalmannschaft. In Folge dessen erleben wir in Deutschland und in Frankreich wieder eklige Szenen, die in der Presse verharmlost werden, während irgendwie versucht wird, eine Art Abgrenzung zwischen Partypatriotismus, Nationalismus und Rechtsradikalismus vorzunehmen.
Aber es gibt dort keine Grenzen, die drei Begriffe bedingen einander und der Erste stärkt den Zweiten, aus dem sich der Dritte speist. Anders ausgedrückt: Partypatriotismus führt zu Nationalismus, welcher schlussendlich zu Rechtsradikalismus führt. Dies heißt jetzt natürlich nicht, dass alle Schlandbrüller*innen und Deutschlandfahnenträger*innen Rechtsradikale sind oder dieser Ideologie nahe stehen. Aber es bedeutet, dass sie durch ihre Handlungen ungewollt dazu Beitragen, dass Dinge geschehen, wie sie gestern, am 12. Juni 2016 passiert sind. Und passiert ist leider einiges…
Zunächst einmal gab es da die Nazihooliganschlägereien in Lille, dem Spielort, mit wohl rund 50 Beteiligten. Mit dabei: Nazihools mit Reichskriegsflagge.
Zudem waren in Lille noch mindestens zwei Rechtsradikale im Stadion: Der Neonazi Michael Brück zusammen mit einem weiteren „Kameraden“. Michael Brück ist seines Zeichens Landesvorsitzender der Rechtsradikalen Kleinpartei „Die Rechte“, Anmelder des Dortmunder Neonaziaufmarsches „Tag der deutschen Zukunft“ und seit diesem Video ein Youtubestar.
Im Stadion gab es außerdem mindestens einmal den Ruf „Scheiß Jude“ während des Wechsels zwischen Schürrle und Draxler, welche beide beim Vfl Wolfsburg spielen.
Mindestens einen weiteren Vorfall gab es dann auch noch auf der „Fanmeile“ in Berlin, wo Neonazis ungestört „Deutschland, Deutschland über alles“ brüllten und den Hitlergruß zeigten.
Dies werden vermutlich nicht alle Vorfälle von letzter Nacht gewesen sein und schon gar nicht alle, die bei dieser Fußballeuropameisterschaft der Männer passiert sind. Sie stehen nur symbolisch dafür, mit welchen Menschen da Fahnen geschwenkt, Lieder gesungen und Plätze in Stadien,Fanmeilen und Kneipen geteilt werden. Patriotismus und Nationalismus – und seien sie noch so ironisch, spassig oder inklusiv gemeint – führen zu einem Denken von „Wir“ und „Ihr“. Dieses Denken erzeugt dabei einen Konkurrenzgedanken, welcher allzu oft in Ausschluss und Überlegenheitsdenken endet. So kommen gerade in Turnierzeiten offen rasstische Äußerungen gegen andere Mannschaften oder Klischees gegen anderen Länder zum Vorschein. Auch stützt diese gemeinschaftliche Verbundenheit Menschen mit teilgeschlossenem oder geschlossenem rechten Weltbild in der Meinung, dass sie damit richtig liegen. Beides führt zusammen zu Übergriffen gegen alles was irgendwie anders ist, ebenso wie zu einer erhöhten Grundtendenz in gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit fasst Rassismus, Hass gegen Homo-, Bi-,Trans- und Intersexuelle, Antisemitismus (Hass gegen Jüd*innen) und ähnliche Dinge zusammen.
Es gibt unter anderem einen Twitter- und einen Facebook-Account von Schlandwatch, welche solche Ausfälle auflisten und sichtbar machen.
Dieser Artikel soll euch, wenn ihr diesem Nationalmannschaftswettkampf etwas abgewinnen könnt, ein wenig die Augen öffnen, mit wem ihr da was zusammen bewirkt. Er soll nicht jede*n von euch zu einem Nazi abstempeln, sondern euch in Verantwortung dafür nehmen, dass ihr zum einen aktiv jeglicher gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Nazischeiße entgegentretet und insbesondere erkennbare Nazis aus diesen Räumen vertreibt, selbst wenn sie „nichts“ tun. Zum anderen solltet ihr darüber reflektieren, ob eure Deutschlandfahnen wirklich überall – von Auto, über Wohnung bis hin zu Kleidung und Profilfotos – nötig sind, um Fußball zu schauen. Denkt bitte darüber nach, ob nationalem Konkurrenzdenken aktuell ein Platz geboten werden sollte.
Dieser Beitrag soll euch nicht den Spaß am Fußball oder allgemein den Spaß verderben, sondern helfen zu verstehen, was das Problem ist. Natürlich gibt es auch in verschiedenen anderen Ländern nationalistische und/oder rassistische Scheißmenschen – diese sind in diesem Text selbstverständlich mitgemeint.
In diesem Sinne:
Love football, hate nations and borders!
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