Erster Eindruck zur #hbwahl
Herbe Schlappe für die SPD
Als am Sonntag um 18 Uhr die Balken der ersten Hochrechnung auf den Bildschirmen erschienen, waren vermutlich alle überrascht. Der rote Balken, der seit 70 Jahren regierenden SPD kletterte nur auf 33%. Ein herber Verlust von fast 6 Prozentpunkten. Auf der Wahlparty der SPD zeigte man sich ratlos. Auch wir haben nicht mit so einem Ergebnis gerechnet, doch eigentlich ist diese Schlappe nur folgerichtig: Die Regierungspartei hat in diesem Wahlkampf kaum stattgefunden. Anstatt mit Inhalten, Ideen oder Visionen zu punkten, wurden Plattitüden wie “Wachstum” oder “Gute Arbeit” nach vorne gehalten und mit dem Gesicht von Bürgermeister Jens Böhrnsen gearbeitet. Der Höhepunkt war sicherlich ein Plakat, dass Böhrnsen als “Katzenfreund” bewarb. Ein sichergeglaubter Sieg und keinerlei Akzente haben die Wähler*innen nicht in die Wahllokale gelockt – da sind die 32-33% gar keine so große Überraschung mehr.
Talfahrt auch bei den Grünen
Bei den Verlusten der SPD vergaßen viele fast, dass die Grünen eine vermutlich noch größere Niederlage einstecken mussten. Anders als bei der SPD war der Verlust von gut 6-7% erwartbar gewesen. 2011 hatten sie Aufwind durch die Katastrophe in Fukushima – so etwas gab es dieses mal nicht. Karoline Linnert machte einen auf Sparkommissarin und nahm den Grünen so jede Möglichkeit auf Gestaltungsspielraum in der Koalition. Wenig vorzuweisen gab es also nach 8 Jahren Rot-Grün, zudem wurde nicht klar, was die Partei in den nächsten 4 Jahre in Bremen verändern will – das Wahlprogramm las sich wie ein schwaches “weiter so, was denn auch sonst?”. So werden keine neuen Wähler*innen angezogen.
CDU erklärt sich selbst zur Gewinnerin
Als Gewinnerin verkaufte sich Elisabeth Motschmann am Sonntagabend. Mit einem Zuwachs von 2% sah sie ihre CDU als Wahlsiegerin: Rot-Grün sei klar abgewählt und die Union solle jetzt ans Ruder gelassen werden – fraglich bleibt wie Frau Motschmann dies aus den schwachen 22% herauslesen will. Nachdem sich die Christdemokrat*innen 2011 kurz vor der Wahl selbst zerlegten, ist ein knapp besseres Ergebnis ohne solche Skandale kein Grund zum Feiern. Naja, interessieren tut das Frau Motschmann nicht – im Schönreden ist sie ja Expertin.
Die Linke bekommt Verstärkung
Wenn es Sieger*innen bei dieser Wahl gab, dann sicherlich Kristina Vogt und Die Linke. Mit 9-10% haben sie ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Bürgerschaftswahl in Bremen erreicht. Konstant gute und kostruktive Oppositionsarbeit und ein frischer Jugendwahlkampf hat Die Linke zu einer echten Marke in Bremen gemacht. Dementsprechend wurde auf der Wahlparty ausgelassen gefeiert, getanzt, gesungen und Freibier getrunken. Die Fraktion möchte die Oppositionsarbeit der letzten 4 Jahre mit neuer Verstärkung (16:05 Uhr: Miriam Strunge, Nelson Janßen und Sofia Leonidakis) fortsetzen und den Senat vor sich hertreiben.
Plötzlich in der FDP
Ohne dass die FDP in Bremen in den letzten 4 Jahren auch nur annähernd außerparlamentarische Oppositionsarbeit geleistet hat, zieht die Partei nun wieder ins Landesparlament ein. Nach der Niederlage 2011 verschwanden die Liberalen mehr oder weniger komplett von der Bildfläche. Der Erfolg in Hamburg und die neue Imagekampagne konnten dies ändern. Die Partei hat vermutlich durch ein frisches Auftreten und die junge Spitzenkandidatin Lencke Steiner viele Wechselwähler*innen überzeugt. Viel mehr steckte hinter diesem Erfolg wahrscheinlich nicht. Der Wahlkampf wurde mit Plattitüden geführt und ganz viel Lencke Steiner. Es bleibt zu bezweifeln, dass das Personal der FDP die Kompetenz besitzt, um effektive Oppositionsarbeit zu machen. Und nun muss Lencke Steiner auch noch Mitglied in der FDP werden.
Einzug oder kein Einzug?
Weiterhin spannend bleibt es, ob die AfD in Bremen einziehen wird. Nach 32% der ausgezählten Wahlzettel steht die AfD bei 5,5% – also ist ein Scheitern noch möglich. In Bremerhaven ist das vorläufige Ergbenis bereits bekannt und die AfD schickt, relativ überraschend mit 4,97%, keine*n Abgeordnete*n in die Bürgerschaft. Dafür schaffen es die Bürger in Wut erneut mit Jan Timke ins Parlament. In Bremen wiederum scheitern die BiW deutlich.
Und nun?
Bürgermeister Böhrnsen hat überraschend alle seine Ämter niedergelegt. Die Bremer*innen und die Medien wirkten anfangs etwas perplex, um dann das Spekulieren zu beginnen. Offiziell will Böhrnsen die Verantwortung für das schwachen Ergebnis übernehmen, doch eigentlich gibt es dafür wenig Grund – schließlich hat die SPD zusammen mit den Grünen eine Mehrheit im Parlament. Viele vermuten daher, dass Rot-Grün-Verfechter Böhrnsen geht, um einer GroKo Platz zu machen. Problem ist nur, dass sich niemand als Nachfolger*in in Stellung bringt – weder SPD-Chef Reincken, Fraktionsvositzender Tschöpe oder Innensenator Mäurer scheinen realistische Kandidaten zu sein.
Wir werden sehen, was in den nächsten Stunden und Tagen passiert…
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